# taz.de -- Migrationspolitik in Deutschland: Eine Verschärfung jagt die nächste
       
       > Donnerstag und Freitag treffen sich die Ministerpräsident*innen
       > und Innenminister*innen. Das Thema Migration bestimmt dabei die
       > Agenda.
       
 (IMG) Bild: Ein Modell für Deutschland? Italienische Polizisten vor einem Asylzentrum in Albanien
       
       BERLIN taz | Geflüchteten drohen in Deutschland neue Verschärfungen: Am
       Donnerstag kommen die Ministerpräsident*innen mit Kanzler Olaf
       Scholz (SPD) zusammen, hauptsächlich um über Migrationspolitik zu sprechen.
       Gleichzeitig tagen bis Freitag die Innenminister*innen der Länder,
       hier ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dabei. Ein Überblick über
       die wichtigsten Themen.
       
       ## Asylverfahren in Drittstaaten
       
       Kernthema und auch Hauptstreitpunkt werden wohl [1][Asylverfahren in
       Drittstaaten] sein. Die Union in Bund und Ländern schaut dabei mit Neid auf
       Modelle in anderen europäischen Ländern: Großbritannien will etwa
       [2][Geflüchtete nach Ruanda bringen], wo sie dauerhaft bleiben sollen.
       Italien will eigene Asylverfahren in Albanien durchführen und Geflüchtete
       erst mit positivem Asylbescheid einreisen lassen. Im November hatte Scholz
       den unionsgeführten Ländern zugesagt, prüfen zu lassen, ob sich solche
       Modelle auch in Deutschland umsetzen ließen. Am Donnerstag will der Kanzler
       die Ergebnisse vorstellen.
       
       Schon jetzt ist klar: Die unionsgeführten Länder werden nicht zufrieden
       sein. Der Prüfbericht, der der taz vorliegt, sieht „vielfältige rechtliche
       und praktische Hindernisse“ und damit kaum Erfolgschancen. Angesichts
       drohender Kosten, des Verwaltungsaufwands und fehlender Aufnahmestaaten sei
       die Idee kaum umsetzbar. Die rechtlichen Hürden ließen sich zwar
       überwinden, so der Bericht, nötig wären aber Gesetzesänderungen auf
       nationaler sowie auf EU-Ebene.
       
       Ein großes Hindernis wäre wohl das im EU-Recht vorgeschriebene
       „Verbindungsmoment“: Um einen Geflüchteten in einen Drittstaat zu bringen,
       ist eine direkte persönliche Verbindung von ihm oder ihr dorthin nötig.
       Italien umgeht diese Regelung, indem es nur Geflüchtete nach Albanien
       bringen will, die auf See aufgegriffen werden und deshalb nie in die EU
       eingereist sind. Großbritannien unterliegt seit dem Brexit ohnehin keinen
       EU-Regeln mehr.
       
       Menschenrechtler*innen sind entsetzt, dass deutsche
       Politiker*innen über solche Pläne auch nur nachdenken. Über 300
       zivilgesellschaftliche Organisationen baten Kanzler Scholz in einem offenen
       Brief, solchen Überlegungen eine klare Absage zu erteilen. Es drohten
       „schwere Menschenrechtsverletzungen“, die Pläne seien außerdem „extrem
       teuer und stellen eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar“.
       
       ## Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan
       
       Kaum Streit ist bei dem Thema Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan zu
       erwarten. Scholz hatte Anfang Juni angekündigt, wieder Straftäter in die
       beiden Länder abschieben zu wollen. Damit sind wohl auch die
       unionsgeführten Länder zufrieden. Hintergrund ist der [3][mutmaßlich
       islamistisch motivierte Messerangriff] eines Afghanen in Mannheim, bei dem
       ein Polizist starb.
       
       Unklar ist noch, wie genau die Abschiebungen vonstattengehen sollen. Weder
       zu Assads Terrorregime in Syrien noch zu den islamistischen Taliban
       unterhält Deutschland Beziehungen, es wären aber intensive Absprachen
       nötig. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) forderte zuletzt,
       zumindest mit Afghanistan wieder Verbindungen aufzunehmen, um die
       Abschiebungen zu ermöglichen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock
       (Grüne) lehnt dies bisher ab. Das Bundesinnenministerium arbeitet derweil
       daran, Abschiebungen über Nachbarländer abzuwickeln, ohne direkt in Kontakt
       zu treten. Nachdem zunächst Pakistan im Gespräch war, sieht das
       Bundesinnenministerium derzeit offenbar Usbekistan als Zwischenstopp für
       abzuschiebende Afghanen als Option. Auch für Syrien gibt es solche Pläne.
       
       Unabhängig vom konkreten Abschiebeweg gilt, dass nur sehr wenige
       Afghan*innen und Syrer*innen in Deutschland betroffen sein werden.
       Für fast alle von ihnen gelten Abschiebeverbote, sofern sie nicht ohnehin
       einen höheren Schutzstatus haben. Auch wenn sie schwere Straftaten
       begehen, Terror verherrlichen oder als Gefährder geführt werden, können sie
       deshalb nicht in ihr Herkunftsland zurückgezwungen werden. Nur 13.396
       Afghan*innen und 10.026 Syrer*innen würden überhaupt für
       Abschiebungen infrage kommen, sofern sie auffällig werden.
       
       Menschenrechtsorganisationen sehen in den Abschiebeplänen Verstöße gegen
       das Völkerrecht. In Afghanistan und Syrien drohe den Abgeschobenen Folter
       und Todesstrafe.
       
       ## Bezahlkarten für Asylbewerber*innen
       
       Bei diesem Thema war die Bundesregierung den Ländern im Winter weit
       entgegengekommen. Gegen den Widerstand der Grünen setzte Kanzler Scholz
       durch, dass der Bundestag eine gesetzliche Grundlage für die Karte schafft,
       auf die Asylbewerber*innen künftig ihre Leistungen überwiesen bekommen
       sollen. Die konkrete Ausgestaltung liegt bei den Ländern. Offen ist noch,
       ob sich die Ministerpräsident*innen auf ein gemeinsames Limit für
       Bargeldabhebungen einigen können. Während die unionsgeführten Länder eine
       Grenze von 50 Euro befürworten, wollen insbesondere die Landesregierungen
       mit Grünen-Beteiligung deutlich höhere Limits.
       
       Klar ist dagegen, dass [4][die Bezahlkarte] Geflüchteten das Leben
       schwerer machen wird. Als Abschreckungsinstrument ist sie genau dafür
       gedacht. Die Karten werden nicht nur einschränken, wie viel Geld abgehoben
       werden kann, sondern auch Überweisungen grundsätzlich ausschließen.
       
       ## Bürgergeld für Ukraine-Geflüchtete
       
       FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte zu Beginn der Woche,
       Geflüchteten aus der Ukraine künftig Leistungen nach dem
       Asylbewerberleistungsgesetz zu zahlen. Auch einige
       Unionspolitiker*innen befürworten das. Bisher erhalten geflüchtete
       Ukrainer*innen Bürgergeld, das deutlich über dem liegt, was andere
       Asylbewerber*innen in den ersten 36 Monaten erhalten. Die
       Kritiker*innen sehen darin einen Fehlanreiz, der dazu führe, dass sich
       viele Ukrainer*innen keinen Job suchen.
       
       Die Länder – auch viele CDU-regierte – sind skeptisch. Die Leistungen nach
       dem Asylbewerberleistungsgesetz stammen aus ihren Kassen, das Bürgergeld
       zahlt dagegen der Bund. Aber auch die zuständigen Bundesministerien sind
       dagegen. Das Sozialministerium unter Hubertus Heil (SPD) teilte mit, über
       das Bürgergeld – das schließlich über die Jobcenter ausgezahlt werde –
       ließen sich Ukrainer*innen schnell in den Arbeitsmarkt integrieren.
       Faesers Bundesinnenministerium betonte, der bürokratische Aufwand sei bei
       einer Umstellung deutlich höher.
       
       19 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederik Eikmanns
       
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