# taz.de -- Posten im Landesverfassungsgericht: Die abgeblockte Anwältin
       
       > 2018 hat Seda Başay-Yıldız den Tunesier Sami A. als Strafverteidigerin
       > vertreten. Dass sie damals ihren Job gemacht hat, verbaut ihr eine neue
       > Stelle.
       
 (IMG) Bild: Wird von der CDU als Verfassungsrichterin abgelehnt: Seda Başay-Yıldız
       
       BERLIN taz | Vor sechs Jahren hat die Anwältin Seda Başay-Yıldız als
       Strafverteidigerin den mutmaßlich salafistischen Prediger Sami A.
       vertreten. Seine Abschiebung nach Tunesien war im selben Jahr vom
       Oberverwaltungsgericht Münster für „evident rechtswidrig“ erklärt worden.
       Der Fall, den sie als eine Urlaubsvertretung von einer Kollegin übernahm,
       begleitet sie noch immer. Denn dass sie damals ihren Job gemacht hat, macht
       ihr die folgenden Jahre das Leben schwer. Und verbaut ihr nun
       ungerechterweise wohl auch noch eine große berufliche Chance.
       
       Medienberichten zufolge erschwert die CDU ihr eine neue Stelle als
       [1][Richterin in Berlins Verfassungsgerichthof.] Um die Stelle zu bekommen,
       müsste Başay-Yıldız im Abgeordnetenhaus mit Zweidrittelmehrheit gewählt
       werden. Der Vorwand für die Ablehnung der Kandidatin: Anscheinend die
       Tatsache, dass sie einen mutmaßlichen Islamisten vertreten hat.
       
       Die Grünen-Fraktion hatte Seda Başay-Yıldız schon vor Monaten als
       Verfassungsrichterin vorgeschlagen. Wie es nun weitergeht, ist unklar: „Wir
       sind in konstruktiven Gesprächen. Zu Personalfragen und Details interner
       Verhandlungen äußern wir uns nicht“, heißt es auf taz-Nachfrage vom grünen
       Fraktionsvorsitzenden Werner Graf. Fest steht: Seda Başay-Yıldız brächte
       als NSU-Opferanwältin wohl noch ein paar neue Perspektiven mit. Auch ist
       der Verfassungsgerichthof des Landes Berlin bisher wenig divers. Ludgera,
       Robert, Sabrina, Jürgen – das sind die Vornamen von einigen ihrer
       potenziellen neuen Kolleg:innen. Keiner der Richter:innen hat einen
       Migrationshintergrund.
       
       Die 48 Jahre alte Başay-Yıldız arbeitet seit 2003 als Rechtsanwältin in
       Frankfurt am Main und engagiert sich seit vielen Jahren für die Opfer von
       rechtsextremer und rassistischer Gewalt. Im NSU-Prozess von 2013 bis 2018
       hat sie die Familie von Enver Şimşek vertreten, den der NSU im September
       2000 erschossen hatte. Außerdem vertritt sie die Familien von Sedat Gürbüz,
       Fatih Saraçoğlu und Gökhan Gültekin, die 2020 beim rechtsextremen
       Terrorangriff von Hanau ermordet wurden.
       
       Konsequenzen für Job als Strafverteidigerin 
       
       Sami A. hat sie aber 2018 als Strafverteidigerin vertreten. Und in
       Deutschland hat jeder Mensch ein Recht darauf, verteidigt zu werden. Seda
       Başay-Yıldız hat also einfach nur ihren verfassungsrechtlichen Job gemacht,
       und sich dabei in keinster Weise schuldig gemacht. „Jedermanns Würde
       beachten. Das ist Leitkultur“ steht als Banner auf Seda Başay-Yıldız X
       Account (ehemals Twitter). Das dürfte der Wahlspruch sein, nachdem sie
       damals gehandelt hat.
       
       Es ist eine Einstellung, mit der sie sich Feinde gemacht hat. Schon lange
       vor der Debatte um Başay-Yıldız als potenzielle Verfassungsrichterin geriet
       sie in die Öffentlichkeit. Die Bild titelte 2018, Başay-Yıldız würde „Osama
       Bin Ladens Leibwächter“ verteidigen. Sie und ihre Familie erhielten
       [2][Morddrohungen], Başay-Yıldız wurde unter anderem als „miese Türkensau“
       bezeichnet. In einer weiteren Drohung hieß es, man würde ihre damals
       zweijährige Tochter „zur Vergeltung schlachten“. Unterzeichnet wurde
       teilweise mit „NSU 2.0.“. Der Verfasser dieser Drohungen wurde 2022
       [3][verurteilt.]
       
       Neben öffentlicher Anfeindung ein weiterer Schlag ins Gesicht für
       Başay-Yıldız: Im Zuge eines Untersuchungsausschuss zum Fall Walter Lübke
       wird ihre Meldeadresse für alle Ausschussmitglieder, auch die AfD und somit
       für Rechtsextremisten, zugänglich gemacht. Axel Wintermeyer, CDU-Mann und
       damals Chef der Hessischen Staatskanzlei, wollte die Daten partout nicht
       schwärzen, auf die Adresse machte er dreisterweise sogar noch einmal in
       einer Mail aufmerksam.
       
       Dass einer Anwältin, die sich ihre ganze Karriere gegen rechtsextreme
       Gewalt und damit für Verfassungsschutz eingesetzt hat, wohl diese Stelle
       als Richterin verwehrt wird, ist eine Schande. Nachdem sie jahrelang
       beleidigt und von Nazis bedroht wurde, wird sie wieder an den Pranger
       gestellt.
       
       22 Jun 2024
       
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