# taz.de -- „Avatar“-Sequel in den Kinos: Wasser marsch!
       
       > James Camerons Fortsetzung „Avatar: The Way of Water“ ist
       > Science-Fiction-Kino der Superlative – und sprengt dabei abermals alle
       > Budgets.
       
 (IMG) Bild: Unterwasser muss die Freiheit grenzenlos sein
       
       Bis letzte Woche war es noch ein besserwisserischer, aber doch anregender
       Start für ein Gespräch: Dass sich an den Film mit dem besten
       Einspielergebnis aller Zeiten (umgerechnet mehr als 2,75 Milliarden Euro)
       niemand mehr richtig erinnern könne. Die meisten Menschen, wie ein Quiz des
       Netzmagazins Buzzfeed das bereits 2016 ermittelte, wüssten schon lange
       nicht mehr, wie die männliche Hauptfigur heißt. Und die große Epoche des
       3D-Kinos, die „Avatar“ mit seinen visuellen Tricks angeblich einläutete,
       war noch einer kurzen Hochphase überraschend schnell vorbei.
       
       Von den Reflexionen über die mangelnde kulturelle Bedeutung seines
       Megablockbusters unbeeindruckt, werkelte James Cameron unterdessen
       unermüdlich weiter. Und statt bescheiden bei zunächst einem Sequel zu
       bleiben, vergrößerte sich die Zahl der geplanten Fortsetzungen stetig.
       
       Cameron arbeite nicht nur bereits an zwei Fortsetzungen, sondern an vier,
       hieß es zuletzt. Der Glaube an den Erfolg des Projekts, das bei Vollendung
       rund 750 Millionen Euro verschlingen würde, schrumpfte dabei mit jedem
       Jahr, das seit dem Start von „Avatar“ im Jahr 2009 verging.
       
       Zuletzt ließ die Coronapandemie die Skepsis darüber, ob sich an den
       weltweiten Besuchererfolg noch einmal anknüpfen ließe, nur noch weiter
       wachsen. Doch seit den Premieren von „Avatar: The Way of Water“ in London
       und Los Angeles in der vergangene Woche ist auf einmal wieder alles anders.
       
       ## Hoffnungsfrohes Händereiben
       
       Begeisterte Reaktionen auf den Social-Media-Kanälen überschlagen sich, die
       großen Kinoketten-Besitzer reiben sich hoffnungsfroh die Hände,
       Oscar-Experten beeilen sich, ihre Favoriten-Listen noch zu aktualisieren
       und die ominöse „Hollywood Foreign Press Association“, bekannt dafür, ihr
       Fähnchen schnell nach dem Wind auszurichten, beglückte den Film bereits mit
       zwei „Golden Globe“-Nominierungen in den Kategorien Bestes Drama und beste
       Regie.
       
       Und die wahren Besserwisser erinnern nun daran, dass James Cameron
       notorisch unterschätzt werde: Schon in den 1990er Jahren kursierten bis
       kurz vorm Start von „Titanic“ 1997 Gerüchte über enorme Budgetüberziehungen
       und mögliche Pleiten – bekanntlich stieg das Winslet-und-DiCaprio-Drama zum
       erfolgreichsten Spielfilm aller Zeiten auf. Eingestellt wurden jene
       Kassenrekorde von „Titanic“ dann schließlich nur von „Avatar“, bei dem sich
       im Vorfeld die ganze Geschichte der Untergangsprophezeiungen wiederholt
       hatte.
       
       Nun also scheint es Cameron mit „Avatar: the Way of Water“ erneut zu
       gelingen: die Skeptiker zu widerlegen, die Schwarzmaler Lügen zu strafen
       und die Kinozuschauer*innen in jenes freudige Staunen zu versetzen,
       dass zum Kauf gleich der zweiten Kinokarte anregt. Und letzteres ist
       vielleicht das unerwartetste Element an dieser Geschichte: Dass „Avatar 2“
       eben nicht nur als Fortsetzung eines fast in Vergessenheit geratenen
       Fantasy-Blockbusters von vor dreizehn Jahren zu taugen scheint, sondern als
       eine Steigerung.
       
       ## Jake Sully hat nun Familie
       
       Die Handlung als solche ist dabei nicht das Entscheidende. Jake Sully (so
       hieß der von Sam Worthington verkörperte Held), der gelähmte Ex-Marine, der
       in seiner blauen Avatar-Gestalt seinerzeit zu den Indigenen übergelaufen
       war und ihnen half, den Planeten Pandora gegen den irdischen
       Ausbeuter-Kapitalismus zu verteidigen, hat inzwischen Familie.
       
       #Zusammen mit Neytiri (Zoe Saldana) zieht er fünf Kinder auf: zwei
       pubertierende und miteinander konkurrierende Söhne, eine noch kleine
       Tochter von acht Jahren, dazu Kiri, die Na’vi-Tochter der von [1][Sigourney
       Weaver] gespielten Wissenschaftlerin aus Teil 1 und das verwaiste
       Menschenkind Spider, das sich Mogli-artig den riesigen Regenwald-Menschen
       mit blauer Haut angeschlossen hat.
       
       Gefahr droht in Gestalt einer alten Nemesis, des Colonels Miles Quaritch
       (Stephen Lang), den das raffinierte amerikanische Militär der 2150er Jahre
       in Na’vi-Verkleidung wiederbelebt hat und mit einem ganzen Bataillon an
       ebenso genmanipulierten Soldat*innen nun in den Kampf gegen die Na’vi
       schickt. Quaritch hat es persönlich auf Rache an Sully abgesehen.
       
       ## Unterschlupf bei den Reef-People
       
       Das Neue und in Staunen versetzende Andere von „Avatar: The Way of Water“
       kommt, als Jake Sully mit Familie fliehen muss und bei einem anderen
       Pandora-Volk, den Reef People, Unterschlupf findet. Sie nämlich leben am
       und im Wasser und die Sullys müssen nun vieles erst lernen: einiges rein
       physisch, wie die Atemtechnik, um möglichst lange im Meer zu tauchen,
       anderes mehr mental, wie das besondere Verhältnis der Reef People zu
       einzelnen Wassertierarten. Und natürlich müssen für die Aufnahme der
       pubertierenden Jugendlichen in die neue Gemeinschaft Konflikte ausgetragen
       werden.
       
       Während der Plot mit genügend Gefahren für das Wohl der Sully-Familie und
       des Planeten Pandora über die vollen drei Stunden Laufzeit in Spannung
       hält, tut sich für die Zuschauer*innen in der Tat eine Welt der Wunder
       auf.
       
       Die Technik nennt sich banal „Underwater Motion Capture“, aber was Cameron
       vor die Trickkamera zaubert, erscheint als die paradoxerweise natürlichste
       Unterwasseraufnahme, die es in einem Spielfilm je zu sehen gab! Und das in
       einem Jahr, in dem sich bereits zwei andere große Blockbuster, sowohl
       „Black Adam“ der DC-Welt als auch die jüngste „Black Panther“-Fortsetzung,
       [2][Marvels „Wakanda Forever“], um die Eroberung dieser „last frontier“,
       der Wasserwelt, bemühten. Mit durchwachsenen Ergebnissen.
       
       Es sind nicht nur die Unterwasseraufnahmen als solche, die „Way of Water“
       zu einem Spektakel im wahrsten Sinn des Wortes machen, sondern die ganzen
       Bewegungen der Figuren in und über Wasser, mit und aus dem Wasser heraus.
       Von den Meerestieren, den Pflanzen, den Wellen und Strömungen bis hin zu
       den einzelnen Tropfen auf den Gesichtern und Haaren der Helden und
       Heldinnen fließt, schwimmt und taucht alles mit einer visuellen
       Selbstverständlichkeit, die förmlich in die Leinwand hineinzieht.
       Zwischendurch könnte man glatt vergessen, dass man in einem nahezu komplett
       CGI-generierten Film sitzt.
       
       ## Superstar 3-D
       
       Die Dreidimensionalität, der große und eigentliche Star von „Avatar 1“,
       spielt dabei nur noch eine untergeordnete Rolle. Die quasi zirzensische
       Erfahrung von damals, mit den Händen nach den Pandora-Blüten im Kinosaal
       greifen zu wollen, wiederholt sich nicht. Aber die zahlreichen
       Action-Szenen, sei es wenn ein Sully-Sohn allein mit riesigen Meerestieren
       kämpft oder wenn die Reef People im Showdown mit einer Surfboard-Armee den
       hochgerüsteten Militärbooten den Garaus machen, vermögen selbst die
       Zuschauer*innen zu fesseln, die bei den üblichen Blockbuster-Schlachten
       gelangweilt aufs Handy schauen.
       
       Ob „Avatar: The Way of Water“ die Zahlen seines Vorgängers erreichen wird,
       bleibt nach den Umbrüchen in der Kinobranche trotzdem fraglich. Immerhin
       bekam der Film die Zulassung für den chinesischen Markt (was den letzten
       sieben Marvel-Filmen verwehrt blieb), wo Teil 1 seinerzeit Rekorde schrieb.
       Die Zahl der Leinwände in China ist seither von knapp 6.000 auf über 80.000
       gestiegen, was ein gewisses Potenzial verspricht.
       
       Und so klingt Camerons Gesamtvorhaben auch nicht mehr wie narzisstischer
       Wahnsinn, sondern wie eine Verheißung, sowohl für den Produzenten als auch
       für das Publikum: Avatar 3 ist schon abgedreht und soll 2024 starten,
       Nummer 4 ist zur Hälfte fertig und für 2026 vorgesehen. Für Avatar 5 ist
       das Drehbuch schon geschrieben und das Kinojahr 2028 ins Auge gefasst.
       
       13 Dec 2022
       
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