# taz.de -- GründerInnen über „Unteilbar“-Auflösung: „Die Dynamik ist verloren gegangen“
       
       > Das Unteilbar-Bündnis, das bis zur Pandemie soziale, feministische und
       > antirassistische Gruppierungen auf die Straße brachte, erklärt seine
       > Auflösung.
       
 (IMG) Bild: Unteilbar-Großdemonstration in Berlin am 4. September 2021
       
       taz: Frau Nedelann, Herr von Klinggräff, alle reden vom „heißen Herbst“,
       von den anstehenden Sozialprotesten, viele fürchten, dass rechte Akteure
       diesen dominieren könnten. Ausgerechnet jetzt in diesen schweren Zeiten
       löst sich das mit Massenprotesten einst sehr erfolgreiche Unteilbar-Bündnis
       auf. Warum? 
       
       Ulrich von Klinggräff: Sie haben völlig recht – wann, wenn nicht jetzt,
       drängt die Zeit nach großen zivilgesellschaftlichen Bündnissen? Aber
       Unteilbar kann das nicht mehr sein. 2018, 2019 und 2020 sind uns [1][große
       Mobilisierungen gelungen]. Aber wir mussten feststellen, dass wir mit
       Beginn der Pandemie in Schwierigkeiten geraten sind und nicht mehr die
       Fähigkeit haben, viele Leute auf die Straße zu bringen.
       
       Welche Schwierigkeiten waren das? 
       
       Franziska Nedelmann: Die damalige Dynamik ist verloren gegangen. Es war
       durch die Pandemie nicht einfach, Aktive zu halten – am Anfang waren wir
       sehr viele, am Ende nur noch ein Kern von circa 20 Menschen. Gleichzeitig
       war eine Erwartungshaltung von außen entstanden, „darum“müsse sich
       Unteilbar kümmern.
       
       Von Klinggräff: Hinzu kommt eine Ritualisierung des
       Demonstrationsgeschehens. Die letzte größere Aktion haben wir vor [2][der
       Bundestagswahl im September 2021] gemacht. Aber da war keine Dynamik, keine
       Stärke mehr. Zur Demo kamen viele, aber es gab keine thematische
       Zuspitzung. Die Süddeutsche Zeitung schrieb vom „Charakter eines
       Familienfestes“. Da war was dran. Aktivistischere Gruppen, etwa aus dem
       feministischen und migrantischen Spektrum, hatten sich zurückgezogen.
       
       Welche thematische Zuspitzung hätten Sie gern gehabt? 
       
       Nedelmann: Etwa in der Pandemie die Verschärfung der sozialen Ungleichheit.
       Gleichzeitig mussten wir viele unterschiedliche Akteure verbinden. Wir
       haben immer versucht, alle gleichzeitig mitzudenken, mussten uns deswegen
       am Ende aber fast auf Allgemeinplätze beschränken. Es ist irre schwierig,
       über so einen langen Zeitraum hinweg Bewegungsdynamik zu erhalten. Das ist
       auch ein Problem für die großen Organisationen, die viel länger für
       Entscheidungen brauchen und so ungewollt Aktivismus bremsen.
       
       2018 fürchteten viele einen Durchmarsch der AfD und dass die Union umkippt
       und am Ende doch mit der AfD koaliert. Diese Angst ist heute nicht mehr so
       stark. Hat das bei Unteilbar am Ende ungewollt die Luft rausgelassen? 
       
       Von Klinggräff: Nein. Diese Gefahr eines Rechtsrutsches ist seit 2018 nicht
       geringer geworden. Damals kam richtig was ins Rutschen, als Konservative,
       Rechtspopulisten und Nazis aufeinander zugegangen sind. Die
       Zivilgesellschaft war in einer Schockstarre.
       
       Wir wollten dem nicht tatenlos zusehen. Heute ist nicht mehr so deutlich,
       in welcher Gefährdungslage sich die Gesellschaft befindet, vielleicht auch,
       weil es die Klimakrise, die Ampelkoalition und den Ukrainekrieg gibt. Aber
       es gibt weiter die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Antifaschismus.
       
       In der etwas nebulösen Auflösungserklärung ist von „neuen Bündnissen“ die
       Rede. An was ist da gedacht? 
       
       Von Klinggräff: Für die Zukunft ist uns wichtig, sich mit Kraft gegen
       Linksnationalismus zu wenden, nach Ausdrucksmöglichkeiten für progressive
       Ansätze jenseits nationalistischer Ideen wie etwa bei „Aufstehen“ zu
       suchen.
       
       Nedelmann: Es gab kein Zerwürfnis, eher die Feststellung, dass ein Zyklus
       vorbei ist. Wir wollen weiter in der Diskussion bleiben und schauen, wo es
       Ansätze gibt, gemeinsam mehr Menschen auf die Straße zu bringen, als
       Einzelbündnisse dies könnten.
       
       21 Sep 2022
       
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