# taz.de -- Hoffnung auf Hilfe aus Deutschland: Italien setzt Rettungsschiffe fest
       
       > Italiens postfaschistische Regierung führt ihren rigorosen Kurs gegen die
       > Seenotrettung fort. Zwei Schiffe von deutschen NGOs dürfen nicht
       > auslaufen.
       
 (IMG) Bild: Neapel, 06.02.2023: Menschen verlassen das Rettungsschiff Sea-Eye 4
       
       BERLIN taz | Die italienische Regierung hat erneut zwei Schiffe von
       deutschen Seenotrettungs-NGOs festgesetzt. Am Freitag traf es die „Sea-Eye
       4“ des Vereins Sea-Eye, die im Hafen von Ortona an der Adriaküste für 20
       Tage festgesetzt wurde. Dies sei damit begründet worden, dass das Schiff
       nach der Rettung von 17 Menschen in der libyschen Such- und Rettungszone 32
       weitere Menschen in der maltesischen Such- und Rettungszone an Bord nahm
       und nicht so schnell wie möglich den Hafen von Ortona angefahren habe,
       [1][teilte Sea-Eye auf Twitter mit].
       
       Die Maßnahme geht auf ein Dekret der Regierung der postfaschistischen
       Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zurück. Die hatte im Februar verfügt,
       dass Rettungsschiffe nicht den nächsten sicheren Hafen etwa auf Sizilien
       anlaufen dürfen – sondern den, den die Regierung ihr zuweist. Auf dem Weg
       sind weitere Rettungen untersagt. Seither schickt Italien vor allem die
       größeren Rettungsschiffe in weit im Norden liegende Hafenstädte. Die NGOs
       sind überzeugt, dass sie so gezielt aus dem Einsatzgebiet ferngehalten
       werden sollen.
       
       „Die langen Anfahrten zu zugewiesenen, weit entfernten Häfen werden immer
       wieder dazu führen, dass wir auf dem Weg dorthin entscheiden müssen, ob wir
       auf weitere Notrufe reagieren. Natürlich tun wir das“, erklärte Gorden
       Isler, Vorsitzender von Sea-Eye. Dies führe dann zu dem Vorwurf, dass die
       Crew der Rettungsschiffe italienische Gesetze bräche. „Es ist ein weiterer,
       verwerflicher Versuch, die Seenotrettung und die Flucht selbst zu
       kriminalisieren.“
       
       Gegen die Festsetzung forderte Isler Hilfe von der Bundesregierung: „Ich
       erwarte, dass das Auswärtige Amt und die Bundesregierung entschieden
       gegenüber Italien auftreten und uns unterstützen“, sagte Isler der Neuen
       Osnabrücker Zeitung. Neben der „Sea-Eye 4“ wurde außerdem das deutsche
       Schiff „Mare*Go“ von den italienischen Behörden am Freitag festgesetzt.
       
       ## 2023 schon über 1.000 Ertrunkene
       
       Das Thema hat im Vorfeld der am Donnerstag beginnenden
       [2][EU-Innenministerkonferenz] besonderen Symbolwert. Am Samstag hatte
       Italiens Innenminister Matteo Piantedosi die Pläne der EU-Kommission für
       die freiwillige Verteilung ankommender Flüchtlinge über einen
       Solidaritätsmechanismus als „erfolglos“ abgelehnt. Stattdessen setze
       Italien vor allem darauf, die „Abfahrten zu stoppen und die Rückführungen
       zu verstärken“. Italiens Abkommen mit Staaten wie Libyen und Tunesien
       sollten auch auf europäischer Ebene ausgebaut werden.
       
       Derweil hatte der Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber
       (CSU), sich dafür ausgesprochen, dass die Bundespolizei Schiffe ins
       Mittelmeer schickt, um in Seenot geratene Menschen zu retten – wie früher
       bei der EU-Marinemission „Sophia“. Allerdings hatte „Sophia“ sich bei der
       Rettung seinerzeit stark zurückgehalten und war 2020 unter anderem deshalb
       beendet worden, weil die EU-Staaten sich nicht einigen konnten, wohin
       Gerettete gebracht werden sollten.
       
       Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag,
       Thorsten Frei (CDU), hatte Weber widersprochen: „Je mehr Schiffe im
       Mittelmeer zur Rettung unterwegs sind, desto mehr Menschen machen sich mit
       seeuntauglichen Booten auf den gefährlichen Weg und bringen sich in
       Lebensgefahr.“ Die Behauptung, Seenotrettung stelle einen sogenannten
       Pull-Faktor dar, ist in zahlreichen Untersuchungen widerlegt worden.
       
       In diesem Jahr sind nach Angaben der UN-Migrationsorganisation IOM 1.154
       Menschen im Mittelmeer auf dem Weg nach Europa ertrunken.
       
       5 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/seaeyeorg/status/1664740160519430145
 (DIR) [2] /EU-Reform-Asylrecht/!5935895
       
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