# taz.de -- Koloniale Exponate in Deutschland: Am falschen Ort
       
       > Zur Eröffnung des Humboldt-Forums: Fünf Beispiele von Ausstellungsstücken
       > in deutschen Museen, deren Rückgabe überfällig ist.
       
 (IMG) Bild: „Benin. Geraubte Geschichte“ heißt eine Ausstellung in Hamburg
       
       ## Die Haltung des Königs
       
       Dafür, dass das Hamburger Museum am Rothenbaum als „Museum für Völkerkunde“
       gegründet worden ist, mit allen kolonialen Verstrickungen, die das mit sich
       bringt, hat man dort in letzter Zeit viel richtig gemacht. Schon der vorige
       Direktor, [1][Wulf Köpke], verfolgte einen partizipativen Ansatz und lud
       Vertreter der Herkunftskulturen der Objekte ein, [2][die Ausstellungen
       mitzugestalten]. Unter der neuen Direktorin Barbara Plankensteiner wurde
       das Museum erst mal umbenannt: Seit 2018 heißt es „Museum am Rothenbaum –
       Kulturen und Künste der Welt“, kurz [3][MARKK].
       
       Und seit Ende letzten Jahres sind in einem Raum die vielleicht
       umstrittensten Objekte des Hauses [4][zu sehen]: die Benin-Bronzen (die gar
       nicht alle aus Bronze sind, manche sind aus Holz oder Elfenbein) aus dem
       Umkreis des 1897 von britischen Soldaten geplünderten und zerstörten
       Königspalastes im westafrikanischen Benin.
       
       Die Stadt Hamburg hatte schon letztes Jahr beschlossen, die Kunstwerke
       [5][zurückzugeben], auch wenn die letzten Verhandlungen noch geführt werden
       müssen. Barbara Plankensteiner wiederum hat bereits in ihrer Zeit als
       Kuratorin am Weltmuseum in Wien zum Königreich von Benin geforscht. Sie ist
       Mitbegründerin und Co-Sprecherin der Benin Dialogue Group, in der westliche
       Museumsleute und Vertreter Nigerias versuchen, in Fragen der Rückgabe
       voranzukommen.
       
       Mit der Ausstellung wollte Plankensteiner noch einmal alle Objekte zeigen
       und „die ganze Geschichte erzählen“, wie sie sagt. Der Raum ist gefüllt mit
       Objekten, die in Vitrinen stehen und an den Wänden hängen. Auf zahllosen
       Erklärtafeln ist festgehalten, was man über die Objekte weiß, aber auch,
       wie sie hierhergekommen sind und welche Leute daran beteiligt waren.
       
       Das Relief „König mit zwei Würdenträgern“ gleich rechts am Eingang, hatte
       der Hamburger Kaufmann John Lembcke dem Museum verkauft. „Er hat es
       offenbar vor 1900 vor Ort erstanden“, sagt Plankensteiner. „Er dürfte in
       Benin City bei einem Chief zu Gast gewesen sein.“
       
       Hamburger Firmen hatten ab Mitte des 19. Jahrhunderts Niederlassungen an
       der westafrikanischen Küste, so auch die Firma L. Pagenstecher & Co., für
       die Lembcke tätig war. Der Handel mit den Kunstwerken war für Lembcke eine
       Nebentätigkeit, was ihn aber nicht davon abhielt, zwischen 1899 und 1905 40
       Benin-Werke an das Hamburger Museum zu verkaufen.
       
       Das Relief zeigt in der Mitte auf seinem Thron sitzend den König, die
       beiden Würdenträger links und rechts stützen ihn an den Armen. „Diese
       Haltung gibt es bis heute in Benin“, sagt Museumsdirektorin Plankensteiner.
       Sie symbolisiere, dass der König sein Amt nur wahrnehmen könne, wenn er die
       Unterstützung des Volks hat.
       
       Im Hintergrund sind zwei Portugiesenköpfe abgebildet, denn die Portugiesen
       galten als mit dem Meeresgott verbunden. Der Handel mit ihnen war es, der
       Reichtum ins Königreich brachte – auch das Metall, woraus diese Tafel
       gegossen wurde. Daniel Wiese
       
       ## Ein Patronengurt aus Namibia in Braunschweig
       
       Von wegen deutsche Ordnung: Bezeichnend für den Umgang hiesiger Museen mit
       Objekten aus kolonialen Zusammenhängen, aber auch für die Mühsal der
       Restitutionsverfahren ist die Geschichte vom Patronengurt des Kahimemua
       Nguvauva in Braunschweig.
       
       Das Städtische Museum Braunschweig, Mitglied [6][im niedersächsischen
       Paese-Projekt] für postkoloniale Provenienzforschung und heute sehr
       problembewusst geleitet, ist selbstredend zur [7][Deakzession] bereit. Man
       hatte namibische Expert*innen das Objekt begutachten lassen, die dann
       auch eine Restitutionsforderung gestellt haben, wie es [8][in einer
       Stellungnahme der Stadtverwaltung vom 16. November 2021 heißt]. Aber nun
       muss doch der namibische Staat um die Rückgabe ersuchen, bevor etwas
       passiert. Und mal sehen, ob man nicht noch andere Stellungnahmen einholen
       muss.
       
       Die bürokratische Pedanterie bildet einen schrillen Kontrast zur
       bisherigen Missachtung des Objekts. Denn dass es in den Museumsdepots hat
       gefunden werden können, verdankt sich dem Drängen der Nachfahren Nguvauvas,
       der Beharrlichkeit der Journalistin Christiane Habermalz, sehr viel Glück
       sowie der geringen Größe der Braunschweiger Sammlung.
       
       Mit kuratorischer Sorgfalt aber hat es nichts zu tun: Sortiert wurden
       Stücke ethnologischer Sammlungen in Deutschland bis Mitte des 20.
       Jahrhunderts meist nach dem Hempels-Sofa-Prinzip: Der Gegenstand wird auf
       Karteikarten vermerkt und dann irgendwo reingestopft.
       
       Ist er jemals gezeigt worden? Nicht mal das haben Braunschweigs
       Museumswärter seinerzeit notiert. Aber immerhin schreibt Gustav Voigts in
       seinen privaten Aufzeichnungen, der Gürtel hänge dort, und der in
       Braunschweig geborene Reserveoffizier und Kaufmann hatte das Stück ja 1896
       erbeutet und dem Museum überlassen: Er hatte Kahimemua Nguvauva verhaftet
       nach der Niederlage von Otjunda. Die Schlacht dort markiert [9][den Beginn
       des Kampfs gegen die deutsche Kolonialisierung.]
       
       Nguvauva hatte die Ovambandero angeführt, die kaiserlichen Truppen
       metzelten sie nieder. Major Theodor Leutwein ließ ihr Land und Vieh an
       Siedler und Kollaborateure verteilen. Kahimemua Nguvauva wurde gefoltert
       und durchs Kriegsgericht verurteilt. Die ersten elf Kugeln des
       Erschießungskommandos am 11. oder 12. Juni 1896 trafen ihn, ohne ihn zu
       töten, [10][heißt es]. Dann soll er sich die Binde von den Augen gerissen
       und die Soldaten aufgefordert haben, auf seine Stirn zu zielen.
       
       So jemand bleibt für immer Held und Mythos. Seine Taten [11][werden
       besungen]. Seine persönlichen Gegenstände sind historische Zeugnisse und
       Reliquien – das gilt gerade für den Patronengurt: Möglicherweise hatte der
       neben seiner säkularen eine sakrale Funktion als Ahnenschnur.
       
       Vom Ururenkel Freddy Nguvauva hatte Christiane Habermalz vor Jahren die
       Geschichte vom heiligen Gürtel erzählt bekommen, der verschollen und in
       Feindeshand in Deutschland war. Ohne ihre Recherche wäre der Gurt
       verschwunden geblieben, in Braunschweig, verschlampt im Depot, unerforscht
       und unverstanden. Benno Schirrmeister
       
       ## Ein Löwenkopf aus Mali in Lübeck
       
       Nach Lübeck gekommen ist nur der bunte hölzerne Löwenkopf mit funkelnden
       Glasaugen. Der Körper fehlt. Vielleicht gehörten ein zoomorphes
       Ganzkörperkostüm dazu und ein Tragegestell, auf dem er gethront haben
       könnte – wenn er nicht, von Sänger:innen und Musikern begleitet, seinen
       Auftritt als mächtigster Jäger der Savanne hatte. Aber all das, auch der
       kulturelle Kontext, in dem der Löwenkopf eingebettet war, ist im
       afrikanischen Mali geblieben.
       
       Viel weiß Sonja Riehn vom [12][Lübecker Figurentheatermuseum] nicht über
       diesen Kopf eines wana, eines Löwen des westafrikanischen Masken- und
       Marionettenfestes sogo bò aus der Sammlung des Museums, nur, wo und in
       welchem Jahr das erst nur als „Tierkopf“ bezeichnete Objekt gekauft wurde
       und dass es eine Figur der Bambara ist, der Ackerbauern am mittleren Niger.
       „Wer genau die Figur, wann, für welches Dorf und welches Fest geschnitzt
       hat, wurde leider nicht festgehalten“, schreibt Riehn im Blog des
       Theaterfigurenmuseums.
       
       Rund 60 Objekte der Sammlung stammen aus Mali, darunter auch
       Musikinstrumente. Wie sie nach Lübeck gekommen sind, ist meist unklar. Eine
       der Figuren wurde 1976 laut Ankaufsunterlagen als „Bambara Marionettenbaum
       aus dem Gebrauch“ über einen Kunsthändler angekauft. Einige der Figuren
       wurden nicht nur ihrem Kontext entrissen, sondern auch fragmentiert. Die
       Hörner eines Antilopenkopfes aus Sirabougou etwa wurden abgetrennt, beides
       getrennt voneinander inventarisiert und ausgestellt. Erst 2018 konnten die
       Einzelteile wieder der Figur zugeordnet werden.
       
       Mit dem Verhältnis von Figurentheater und Kolonialismus setzt sich das
       Museum, das seit 2017 für Sanierungen geschlossen ist, seit zwei Jahren
       auseinander, auch in einer virtuellen Ausstellung, um „die Fäden zu
       entwirren“. Aber die Lübecker:innen blicken nicht nur selbst auf ihren
       Bestand. Für das Ausstellungs- und Forschungsprojekt „Who’s Talking!
       Perspektivwechsel auf Provenienz“ luden sie 2021 darstellende
       Künstler:innen und aktive Figurenspieler:innen dazu ein, einen
       künstlerischen Blick aufs Depot zu werfen und die dort stillgelegten
       Objekte wiederzubeleben.
       
       Einer der eingeladenen Künstler:innen ist der malische Regisseur und
       Figurenspieler Yacouba Magassouba. 2010 gründete er die Compagnie Nama, die
       Figuren- und Maskenspiel mit Tanz und traditionellen Rhythmen und Gesängen
       verknüpft und die einzige ist, die in Mali selbst Riesenmarionetten baut.
       Entstanden ist aus der Zusammenarbeit das Theaterstück „La fête au
       village“, die Idee dazu kam Magassouba, nachdem er die ersten Objektfotos
       aus Lübeck gesehen hatte.
       
       Vor einem Jahr führte die Compagnie Nama das Figurenspektakel in Bamako
       (Mali) mit neu geschnitzten und damit neu interpretierten Figuren aus der
       Lübecker Sammlung auf. In der virtuellen Ausstellung ist nun dokumentiert,
       wie die Figuren, die in Lübeck nur als Bruchstücke vorhanden sind,
       entstanden sein könnten und wie sie heute in Mali gespielt werden können.
       Und das Stück war im Lübecker Kino als Film zu erleben.
       
       Im Konzept des Kolk 17, in dem das Museum sich mit dem benachbarten
       Lübecker Figurentheater zusammenschließt, ist die postkoloniale
       Auseinandersetzung mit dem Bestand künftig ein zentraler Baustein. Der neue
       Ausstellungsraum zu malischen Sammlungsobjekten im 2024 eröffnenden neuen
       gemeinsamen Haus wird dann von Magassouba mitkonzipiert sein. Robert
       Matthies
       
       ## Ein Ensemble aus Australien in Leipzig
       
       Schon ein knappes halbes Jahrhundert, bevor die deutsche Kolonialgeschichte
       begann, sind sie hierhergekommen – heute werden der Rindenschäler, das
       Fischnetz, der Speer und die Keule, die einst First Australians gehörten,
       im Raum der Erinnerung im [13][GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig]
       ausgestellt. Der jüngst eingerichtete Raum ist der erste für
       Rückgabezeremonien in einem deutschen Museum. Nächstes Jahr werden die
       vier Objekte in ihre Heimat zurückgehen. „Wie genau sie im Kontext der
       damaligen kolonialen Strukturen angeeignet oder übergeben wurden, können
       wir nicht sagen“, berichtet Friedrich von Bose, der die Abteilung Forschung
       und Ausstellungen der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen
       leitet, zu denen das Museum gehört. „Und dennoch müssen sie zurück, wenn
       wir das Museum neu denken.“ Denn die Objekte haben für die
       Kaurna-Gemeinschaften großen ideellen Wert.
       
       Von dieser Geschichte kann am besten Birgit Scheps-Bretschneider erzählen,
       die seit über 40 Jahren am Museum arbeitet. Sie reist regelmäßig nach
       Australien und pflegt dort Kontakte. Auch den ersten Besuch einer
       Delegation von First Australians 2011 hat sie erlebt. Sie berichtet, dass
       im Jahr 1838 drei Missionare einer Missionsgesellschaft in Dresden,
       Heinrich August Eduard Meyer, Clamor Wilhelm Schürmann und Christian
       Gottlob Teichelmann, nach Australien reisten. Sie wurden von den Kaurna,
       einer Bevölkerungsgruppe der Aborigines, herzlich willkommen geheißen.
       
       Birgit Scheps-Bretschneider hat Nachfahr*innen der damaligen
       Gastgeber*innen getroffen, die noch heute von den Missionaren positiv
       berichten. Auch durch die Aufzeichnungen der Missionare ist bekannt, dass
       sie für die Beibehaltung der indigenen Identität der Kaurna eintraten und
       in kurzer Zeit ihre Sprache lernten. Sie schrieben ein Wörterbuch und eine
       Grammatik, die bis heute als wichtigste Werkzeuge zur Wiederbelebung der
       fast ausgestorbenen Sprache gelten.
       
       Die vier Objekte, welche die Missionare wahrscheinlich von den Kaurna
       erhielten, um ihr Überleben in Australien zu sichern, zählen bis heute zu
       den ältesten Zeugnissen der Geschichte der First Australians. Es gebe sogar
       nur ein einziges weiteres Objekt der Kaurna aus dieser Zeit, das übrig
       geblieben sei, berichtet Scheps-Bretschneider, und zwar einen Schild im
       [14][South Australian Museum] in Adelaide. Das Museum habe sich bereit
       erklärt, den Schild gemeinsam mit den vier Objekten aus Deutschland ans
       Tauondi Aboriginal College zu geben, wo Aborigines Schulabschlüsse und
       Berufsausbildungen machen. Zum Abschluss schenken die Schüler*innen dem
       College ein Objekt aus ihrer Kultur, deshalb verfügt es über eine eigene
       Sammlung.
       
       „Die Angst der deutschen Museen vor leeren Depots ist mir unbegreiflich“,
       sagt Friedrich von Bose. Für seine Promotion hat er den Planungsprozess des
       Berliner Humboldt Forums untersucht und kennt die Abwehrhaltung vieler
       Kolleg*innen. „Jede Rückgabe bringt doch so viel zurück. Wir werden
       immer reicher.“ Susanne Messmer
       
       ## Die Benin-Hocker im Berliner Humboldt Forum
       
       Die Benin-Objekte, lernen die Besucher*innen der neuen Ausstellung im
       Humboldt Forum in Berlin, waren eng mit der Produktion der Macht des
       Königs/Herrschers – in der Landessprache: Oba – verbunden. Dass viele aus
       Bronze oder Messing und damit extrem haltbar sind, hat seinen Grund:
       „Gedenken oder ‚sich erinnern‘ heißt in Edo wörtlich ‚ein Motiv in Messing
       gießen‘ “, so ein Erklärtext. Viele Bronzen sind „Gedenkköpfe“ von Obas
       oder „Altargruppen“, hergestellt im Auftrag eines Obas zu Ehren seiner
       verstorbenen Mutter.
       
       Auch die beiden Hocker im zweiten Benin-Raum – nur für eine Weile in Berlin
       zu sehen, bevor sie nach Nigeria zurückgehen – waren Insignien der Macht.
       Jeder Oba ließ sich seinen Hocker fertigen und stellte sich so in die
       Tradition der Vorfahren. Nur zu gerne hätte Berlin beide Stücke behalten,
       weil sie „schon immer zentrale Stücke der Sammlung“ waren, so der Direktor
       des Ethnologischen Museums, Lars-Christian Koch, zur taz. Doch seit Beginn
       der Gespräche mit Nigeria sei klar gewesen, dass Abba Isa Tijani,
       Generaldirektor der [15][National Commission for Museums and Monuments],
       sie für sein Land zurückhaben wollte.
       
       Tatsächlich sind es besondere Objekte: schon weil sie zeigen, dass es
       Rückforderungen aus Nigeria schon sehr lange gibt – anders, als es hiesige
       Museen über Jahrzehnte behaupteten. Bereits 1935, keine 40 Jahre nach der
       Zerstörung des Palastes von Benin City, verlangte der damalige Oba Akenzua
       II. sie zurück. Er erklärte sich sogar bereit, dafür zu zahlen.
       
       Die britische Kolonialmacht musste allerdings erst mal recherchieren, wo
       die Hocker nach der Plünderung abgeblieben waren: In Berlin stellte sich
       heraus, dass das Museum sie auf einer Auktion ersteigert hatte. Doch die
       Berliner wollten die Hocker nicht verkaufen, lediglich Repliken wollte man
       dem Oba anfertigen – auf dessen Kosten, versteht sich. So gingen 1937 zwei
       neue Bronzegüsse für 1.582 Reichsmark auf Fahrt gen Benin.
       
       Für Oba Akenzua war vermutlich vor allem der ältere Hocker, von Oba Esigie
       (ca. 1504–50) von Bedeutung. „Esigie war ein ganz wichtiger Herrscher, der
       viel für die Stabilisierung des Königreichs im 16. Jahrhundert getan hat“,
       erklärt Koch. Esigie soll fließend Portugiesisch gesprochen und gute
       Beziehungen zu den Portugiesen gepflegt haben. Womöglich war sein Hocker
       sogar ein Geschenk des portugiesischen Königs, schreibt die
       Kulturwissenschaftlerin Audrey Peraldi in einem Aufsatz von 2017. Auch Oba
       Eresoyen wollte im 18. Jahrhundert an den berühmten Vorgänger anknüpfen –
       sein Hocker, so Peraldi, ist nach Auffassung mancher Kunsthistoriker quasi
       eine Kopie des ersten Hockers.
       
       In gewisser Weise typisch für den Umgang mit „ethnologischen Objekten“ ist
       auch: Obwohl die Hocker im Berliner Völkerkundemuseum schon vor hundert
       Jahren einen zentralen Platz hatten, wusste man damals nicht viel über ihre
       Funktion. Benutzten die Könige sie wirklich als Stuhl? Einige Berichte von
       europäischen Reisenden legten das nahe, andere bezweifelten es, hält
       Peraldi fest.
       
       Der nigerianische Historiker und Künstler Sweet Ufumwem Ebeigbe schrieb
       dazu 2015: „Eine sehr wichtige Funktion der königlichen Stühle, die ein
       tieferes Verständnis der erzählenden Eigenschaft der Kunstwerke aus Benin
       geben kann, ist deren Gebrauch durch die früheren Könige Benins als
       ‚kommunikative Objekte‘.“ Die Stühle seien verschlüsselte Botschaften der
       Obas an ihre Vorfahren gewesen – „telegraphische Stühle“.
       
       In der Berliner Ausstellung erfährt man davon leider nichts, wie überhaupt
       der Schaukasten mit den beiden Hockern und ihren Gipskopien daneben wenig
       erhellend ist. Immerhin zeigen die Kopien, wie man Bronzen oder andere
       „ethnologische Objekte“ ausstellen kann, wenn die Originale in ihr
       Ursprungsland zurückgegangen sein werden.
       
       Tatsächlich kann man im hellen Gips die feinen Natur- und Tiermotive,
       Werkzeuge, Himmelskörper und so weiter, die das Weltbild Benins verkörpern,
       besser erkennen als auf den dunkel angelaufenen Bronzen. Zudem kann man
       Kopien eben auch zerlegen und so Unterseiten sichtbar machen, die im
       Original verborgen bleiben. Der Zwang zur Rückgabe, zeigt sich hier, hat
       eben seine Vorteile. Susanne Mermania
       
       20 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [4] /Hamburger-Ausstellung-von-Benin-Bronzen/!5820824
 (DIR) [5] /Hamburger-Ausstellung-von-Benin-Bronzen/!5820824
 (DIR) [6] https://www.postcolonial-provenance-research.com/paese/
 (DIR) [7] https://de.wikipedia.org/wiki/Deakzession
 (DIR) [8] https://ratsinfo.braunschweig.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1022410#searchword
 (DIR) [9] https://www.africavenir.org/news-details/archive/2012/march/article/book-of-condolence-in-the-memory-of-victims-of-german-genocide-in-namibia-1904-1908-extra.html?tx_ttnews%5Bday%5D=19&cHash=64a34f3ed1fec6612f779e3c85387e60
 (DIR) [10] https://www.deutschlandfunkkultur.de/eine-deutsch-namibische-kolonialgeschichte-der-guertel-des-100.html
 (DIR) [11] https://neweralive.na/posts/otjunda-commemoration-back-after-covid-hiatus
 (DIR) [12] https://kolk17.de/
 (DIR) [13] https://grassi-voelkerkunde.skd.museum/
 (DIR) [14] https://www.samuseum.sa.gov.au/
 (DIR) [15] https://museum.ng/
       
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