# taz.de -- Neuer Höchststand bei Rüstungsexporten: Ampel-Regierung bricht Rekord
       
       > 2021 nahm sich die Ampel vor, Rüstungsexporte einzudämmen. Doch vor allem
       > der russische Angriffskrieg auf die Ukraine lässt die Zahlen steigen.
       
 (IMG) Bild: Ein Leopard 2 A6 Panzer, hier in Rukla, Litauen, 15.12.2023
       
       BERLIN taz/dpa | Die Bundesregierung hat in diesem Jahr Rüstungsexporte für
       mindestens 11,71 Milliarden Euro genehmigt und damit einen neuen Rekord
       aufgestellt. Der bisherige Höchststand von 9,35 Milliarden Euro aus dem
       Jahr 2021 wurde bereits Mitte Dezember um 25 Prozent übertroffen. Im
       Vergleich zum Vorjahr betrug der Anstieg sogar 40 Prozent.
       
       Mehr als ein Drittel der genehmigten Ausfuhren ging mit 4,15 [1][Milliarden
       Euro an die Ukraine] für den Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren.
       Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der
       Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht hervor,
       die der dpa vorliegt.
       
       Die Zahlen betreffen den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 12. Dezember 2023,
       in dem die Ampel [2][die Ausfuhr von Kriegswaffen] im Wert von 6,15
       Milliarden Euro und von sonstigen Rüstungsgütern für 5,57 Milliarden Euro
       genehmigte. Knapp 90 Prozent entfallen auf Staaten der EU und der Nato,
       [3][die Ukraine] sowie auf Staaten, die bei der Rüstungsexportkontrolle
       genauso oder ähnlich wie Nato-Staaten behandelt werden – zum Beispiel
       Japan, Australien oder Südkorea.
       
       Für sonstige sogenannte Drittländer wie zum Beispiel Israel, die
       Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien gab die Bundesregierung
       Waffen und sonstige Rüstungsgüter für 1,18 Milliarden Euro aus deutscher
       Produktion frei.
       
       ## Knapp 90 Prozent für Nato-Staaten und andere Verbündete
       
       Der letzte Höchststand bei den Rüstungsexporten war 2021 noch von der
       schwarz-roten Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu
       verantworten, die kurz vor dem Regierungswechsel noch in letzter Minute
       Genehmigungen in Milliardenhöhe erteilt hatte. SPD, Grüne und FDP hatten
       sich in ihren Koalitionsverhandlungen vorgenommen, die Rüstungsexporte
       wieder einzudämmen und dafür ein Kontrollgesetz auf den Weg zu bringen.
       
       Dann kam mit dem Ukraine-Krieg die Kehrtwende in der Rüstungspolitik. Das
       selbst auferlegte Verbot von Waffenlieferungen in einen laufenden Krieg
       wurde von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner [4][„Zeitenwende“-Rede
       am 27. Februar 2022] einkassiert – ein Tabubruch. Im ersten Kriegsjahr
       wurden Waffenlieferungen für 2,24 Milliarden Euro für die Ukraine
       genehmigt, darunter Flugabwehrsysteme und schwere Artillerie. In diesem
       Jahr kamen unter anderem Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 hinzu, die die
       Bundesregierung nach langem Zögern bereitstellte. Die Exporterlaubnisse für
       die Ukraine stiegen auf 4,15 Milliarden Euro, der Gesamtwert wieder auf
       eine Rekordhöhe.
       
       [5][Ein Rüstungsexportgesetz] gibt es aber immer noch nicht. Grünen-Chef
       Omid Nouripour dringt nun auf eine baldige Einigung der Ampel. Der
       Rekordwert bei den Ausfuhren sei „eine schlechte Nachricht, weil das auch
       was aussagt über die Lage der Welt“, sagte er der dpa. „Notwendig ist, dass
       wir jetzt vorankommen mit dem vereinbarten Rüstungsexportkontrollgesetz.“
       
       Der hohe Gesamtwert ist aber nicht alleine auf die Lieferungen an die
       Ukraine zurückzuführen. Auch ohne die Ukraine genehmigte die
       Bundesregierung Exporte im Wert von weit mehr als sieben Milliarden Euro.
       Zum Vergleich: In den 16 Regierungsjahren von Merkels wurde die
       Sieben-Milliarden-Marke nur drei Mal überschritten.
       
       ## Rüstungsexporte nach Israel verzehnfacht
       
       In der Rangliste der wichtigsten Empfängerländer folgen hinter der Ukraine
       mit Norwegen (1,20 Milliarden Euro), Ungarn (1,03 Milliarden Euro),
       Großbritannien (654,9 Millionen Euro), USA (545,4 Millionen Euro) und Polen
       (327,9 Millionen Euro) fünf Nato-Staaten.
       
       [6][Auf Platz sieben steht Israel mit Lieferungen für 323,2 Millionen Euro]
       – etwa zehnmal so viel wie im gesamten Jahr 2022 mit 32 Millionen Euro. Der
       Großteil der mehr als 200 Einzelgenehmigungen für Israel wurde früheren
       Angaben des Ministeriums zufolge nach dem Terrorangriff der Hamas auf
       Israel am 7. Oktober erteilt. Es geht dabei insbesondere um Komponenten für
       die Luftabwehr und Kommunikationsausrüstung.
       
       Unter den Top Ten ist neben Israel mit Südkorea (256,4 Millionen Euro) nur
       ein Land, das nicht der Nato angehört. In deutlich kleinerem Umfang wurden
       auch in diesem Jahr wieder Rüstungslieferungen in Staaten aus dem
       arabischen Raum erlaubt, darunter die Vereinigten Arabische Emirate (78,2
       Millionen Euro bis zum 30. November), Ägypten (40,3 Millionen), Katar (15,1
       Millionen) und Saudi-Arabien (13,3 Millionen). Das geht aus einer weiteren
       Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage Dagdelens hervor. Exporte an
       diese Länder sind vor allem wegen der Menschenrechtslage dort und der
       Verwicklung in regionale Konflikte umstritten.
       
       Von den Grünen, aber auch aus der SPD kommen Forderungen, Rüstungsexporte
       an Länder wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Katar
       ganz zu unterbinden. „Ich glaube, dass wir immer noch gut beraten wären,
       keine Waffen in Krisengebiete und Diktaturen zu liefern“, sagte der
       SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner der dpa. Bei Krisengebieten könne es
       allerdings Ausnahmen, wie im Fall der von Russland angegriffenen Ukraine
       geben. Saudi-Arabien gehöre aber „zu den blutrünstigsten Diktaturen“.
       
       ## CDU-Politiker fordert Eurofighter für Saudi-Arabien
       
       Auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hat bereits einen
       Rüstungsexportstopp für Diktaturen gefordert. Sein Parteichef Nouripour
       stimmt ihm zwar im Prinzip zu, sagt aber auch, dass es weiterhin Ausnahmen
       geben müsse. So bestünden noch alte Rüstungsverträge mit Diktaturen und
       neue Notwendigkeiten der Zusammenarbeit zum Beispiel im Energiesektor, die
       berücksichtigt werden müssten. „Es gibt nicht den einen Federstrich und den
       einen Zauberstab, mit dem man jetzt sofort zu einem Stopp kommen kann.“
       
       Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter fordert die Bundesregierung
       dagegen auf, die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien auszuweiten. So sei die
       Lieferung von Eurofighter-Kampfjets notwendig, „auch um zu verhindern, dass
       Saudi-Arabien aus dem westlichen Lager abdriftet und sich beispielsweise
       China anschließt“, sagte Kiesewetter der dpa. Die Zusammenarbeit mit
       Saudi-Arabien sei mit Blick auf die Energiereserven des Landes im
       strategischen Interesse Deutschlands, aber auch was die Rolle des Landes im
       Nahost-Konflikt angeht.
       
       Die Außenpolitikerin Dagdelen sprach sich dafür aus, die Rüstungsexporte
       insgesamt zurückzufahren: „Statt im Akkordbetrieb Rüstungsexporte in
       Kriegs- und Spannungsgebiete weltweit zu genehmigen und den sinnlosen
       Abnutzungskrieg in der Ukraine mit immer neuen Waffengeschenken zu
       befeuern, die von der Bevölkerung hier teuer bezahlt werden müssen, sollte
       die Ampel endlich anfangen, die notwendigen Investitionen in Infrastruktur
       und Bildung in Deutschland auf den Weg zu bringen.“
       
       27 Dec 2023
       
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