# taz.de -- Widerstand gegen Nationalsozialismus: Held von Berlins Juden und Muslimen
       
       > Ein ägyptischer Arzt rettete in der Nazi-Zeit Juden vor dem Holocaust. In
       > der Wilmersdorfer Moschee stellt der Israeli Igal Avidan seine Geschichte
       > vor.
       
 (IMG) Bild: Hier fand die Lesung statt: Ahmadiyya-Moschee in Wilmersdorf
       
       In diesem Tagen entsteht bisweilen der Eindruck, als kommunizierten Muslime
       gegenüber Juden in Berlin – wenn überhaupt – mit geschwungenem Ledergürtel
       oder der Faust. Doch es existiert noch eine andere muslimisch-jüdische
       Geschichte in der Stadt. Zum Beispiel in der altehrwürdigen
       Ahmadiyya-Mosche in Wilmersdorf.
       
       Dort, im ältesten noch existierenden muslimischen Gotteshaus Deutschlands,
       trafen sich am Sonntagabend Muslime, Juden und Christen im Innenraum unter
       der großen, gerade erst renovierten Kuppel. Der Saal war so voll, dass die
       Stühle nicht ausreichten. Das war kein Wunder, denn es ging um eine
       gemeinsame Geschichte beider Religionsgemeinschaften in der Stadt.
       
       Der israelische Journalist Igal Avidan war im Rahmen des
       jüdisch-muslimischen Dialogs eingeladen, um über einen Muslim zu sprechen,
       der Juden in der Nazi-Zeit das Leben gerettet hat. Mod Helmy hieß dieser
       Mann, ein ägyptischer Arzt, der in der Weimarer Republik in Berlin Medizin
       studiert hatte und danach dort hängengeblieben war. Gewiss ist er auch Gast
       in dieser Moschee gewesen.
       
       Seine Geschichte, die Avidan in jahrelanger Arbeit recherchiert hat, ist
       voller Widersprüche und doch im entscheidenden Moment klar und eindeutig.
       Denn Helmy, der 1933 im Krankenhaus Moabit tätig war, profitierte zunächst
       von der antisemitischen Politik der Nazis. Weil seine jüdischen Kollegen
       entlassen wurden, konnte er, der „Nichtarier“, seine Stellung an der Klinik
       zunächst festigen. Doch schon bald darauf wurde er einigen
       Nationalsozialisten zum Gegner. Sie sperrten ihn, den angeblich
       gefährlichen Angehörigen einer mit Deutschland im Krieg stehenden Nation,
       zeitweise im Gefängnis ein.
       
       Avidan war vor fünf Jahren auf Helmys Namen gestoßen, als er in einer
       Zeitungsnotiz davon las, dass die israelische Gedenkstätte Jad Vashem mit
       diesem Mann erstmals einen Araber als „Gerechten unter den Völkern“ geehrt
       hatte. Dieser Titel wird von der Gedenkstätte an jene Nichtjuden verliehen,
       die im Holocaust uneigennützig einen Juden gerettet haben. Doch eine
       Übergabe der entsprechenden Medaille und Urkunde musste ausfallen – Helmys
       ägyptische Nachkommen verweigerten die Entgegennahme in Jerusalem. Sie
       wollten mit Israel nichts zu tun haben. Der Nahostkonflikt lässt grüßen.
       
       Dabei taugt Dr. Mod Helmy allemal zum Helden für Muslime wie für Juden.
       Zunächst versteckte der Arzt die damals 17-Jährige Jüdin Anna Boros in
       seiner Moabiter Wohnung. Dann, beim Versuch, ihre Rettung zu ermöglichen,
       ließ er sie zur Muslimin konvertieren. Schließlich ging Anna auf Helmys
       Initiative eine Scheinehe mit einem Ägypter ein, in der Hoffnung, so ihre
       Ausreise arrangieren zu können. Als sich das als unmöglich herausstellte,
       brachte der Retter die Jüdin in einer Laube in Berlin-Buch unter, wo sie
       dort die Befreiung durch die Sowjets erlebte.
       
       Helmy ist 1982 in Berlin verstorben. Doch am diesem Abend unter der runden
       Moscheekuppel waren einige Menschen gekommen, die ihn noch gekannt haben,
       etwa ehemalige Patienten.
       
       Igal Avidan aber kann nicht damit aufhören, über dem Moslem aus Ägypten zu
       recherchieren. Erst vor ein paar Tagen machte er seinen letzten Fund: Es
       ist das alte Praxisschild von Dr. med. Mod Helmy. Als Avidan es in der
       Wilmersdorfer Mosche hoch hält, geht ein Raunen durch die Reihen der
       Zuschauer.
       
       1 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Hillenbrand
       
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