# taz.de -- Krimi „Berlin Heat“: Skrupellos im hässlichsten Berlin
       
       > In Johannes Groschupfs mitreißendem „Berlin Heat“ gibt es viel von allem.
       > Spielsucht, Drogen und ein entführter AfD-Politiker stehen im
       > Mittelpunkt.
       
 (IMG) Bild: Platte im Berliner Stadtteil Fennpfuhl: Der Blick über die Metropole muss sehenswert sein
       
       Man merkt seinen Krimis an, dass Johannes Groschupf auch als
       Reisejournalist gearbeitet hat. Das macht überhaupt nichts, ganz im
       Gegenteil. Die Präzision, mit der Groschupf Berliner Szenerien beschreibt,
       die nur ein bisschen atmosphärisch überhitzt ausfallen, und mit der er die
       Berliner Geografie in die Handlung integriert, ist beispielhaft.
       
       Nicht zuletzt wird man dabei immer wieder auf Ideen gebracht. Fühlte man
       sich sportlich genug, könnte man zum Beispiel in der Spree
       Langstreckenschwimmen üben, so wie der sehr ambivalente Held in Groschupfs
       Vorgängerroman, seinem preisgekrönten Erstling „Berlin Prepper“, es zu tun
       pflegte. Oder vielleicht sollte man wirklich mal nach Fennpfuhl fahren, in
       einen der hässlichsten Berliner Stadtteile überhaupt, von dessen
       Plattenhochhausbauten der Blick über die Metropole aber tatsächlich
       sehenswert sein muss.
       
       Eine Wohnung im 13. Stock eines Fennpfuhler Hochhauses ist einer der
       wichtigsten Handlungsorte von Groschupfs neuem Roman „Berlin Heat“. Der
       Roman heißt zum einen so, weil er im Sommer spielt.
       
       ## Psychomäßig verdreht
       
       Zum anderen ist der Titel ein Hinweis auf den fieberhaften und dabei wenig
       zielgerichteten Aktionismus seines Ich-Erzählers, der genau wie der
       Protagonist in „Berlin Prepper“ zu psychomäßig verdreht ist, als dass er
       sympathisch wäre; einer, der die ganze Zeit nur an sich selbst denkt, und
       der dennoch erstaunlich reflektierte politische Überzeugungen zu erkennen
       gibt.
       
       Diesen Teil seiner Helden macht Groschupf offenbar gern zum Sprachrohr
       seiner selbst, was ein bisschen merkwürdig ist, denn weder zu dem ersten,
       dem Prepper, noch jetzt zu dem zweiten passt es, eine annähernd linke
       politische Meinung zu haben.
       
       Der Protagonist von „Berlin Heat“ ist ein Typ um die dreißig, Tom, der ein
       ernsthaftes Problem mit Spielsucht hat und kaum Skrupel, wenn es darum
       geht, für die Zockerei Geld zu beschaffen. Für seinen Vater, der ein paar
       Wohnungen besitzt, managt er die Vermietung an TouristInnen sowie deren
       Versorgung mit allerlei Dingen, was auch Drogen einschließt.
       
       Als ihn zwei verdächtige Typen im Café ansprechen und bereit sind, große
       Summen für eine sofort verfügbare Wohnung hinzulegen, kommt ihm das komisch
       vor; aber da Tom für Geld schließlich alles macht, kutschiert er die beiden
       nach Fennpfuhl – mit einem „Freund“, wie sie sagen, im Schlepptau, einem
       älteren Mann, der im Rollstuhl sitzt und ziemlich weggetreten wirkt. Aus
       den Abendnachrichten erfährt Tom zufällig, dass es sich bei diesem „Freund“
       um einen Abgeordneten der AfD handelt, der am selben Tag entführt wurde.
       
       ## Attraktive Kommissarin und DDR-Papa
       
       Die Handlung ist zu turbulent, um sie kurz zusammenzufassen. Toms Vater,
       der bei der DDR-Volkspolizei war, spielt eine Rolle, außerdem eine
       schlagfertige und attraktive schwarzhaarige Kommissarin, für die der
       Protagonist die blonde Marla aus Gropiusstadt, die er zuvor klargemacht
       hatte, glatt stehen lässt.
       
       Dass die Figuren, die Groschupfs Romane bevölkern, grundsätzlich
       überzeichnet sind, passt zur Handlung, die ebenfalls eigentlich zu viel von
       allem hat. Hier wurde noch eine Wendung eingefügt, da musste noch ein
       Schlenker hin, Sex findet grundsätzlich an besonders pittoresken Locations
       statt, und ach, unbedingt sollte man noch ein paar Berlin-Schauplätze mehr
       unterbringen – Groschupf betreibt Krimischreiben als Leistungsschau.
       
       Das täte gar nicht not, denn dass er schreiben kann, wie man so sagt, steht
       außer Zweifel. Mögen die Dinge sich auch noch so abstrus entwickeln, ganz
       egal, „Berlin Heat“ hat einen mitreißenden Drive, oft ist es ziemlich
       lustig, und die Dialoge haben hohen Unterhaltungswert. Und so lässt sich
       wirklich wenig gegen diesen Roman sagen, außer dass eben die vielen guten
       Einfälle etwas zu üppig über den Rand quellen.
       
       13 Jun 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Granzin
       
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