# taz.de -- Wende an den Rohstoffbörsen: Kaffeebauern bejubeln höhere Preise
       
       > Kaffeebohnen sind auf dem Weltmarkt so teuer wie seit Jahren nicht mehr.
       > Das ist eine gute Nachricht für die Produzenten etwa in Lateinamerika.
       
 (IMG) Bild: Jetzt teurer: Kaffee aus Guatemala
       
       HAMBURG taz | Gerardo de León kann sich derzeit beim täglichen Blick auf
       die Kaffeekurse an den Börsen ein optimistisches Lächeln nicht verkneifen.
       Der 59-jährige Kaffeeexperte arbeitet für Fedecocagua, den mit rund 24.000
       Produzenten größten Genossenschaftsverband Guatemalas. Lange hat de León
       auf den Anstieg der Kaffeepreise warten müssen. „Der Durchschnittspreis der
       letzten dreißig Jahre liegt bei 1,20 US-Dollar pro Pfund [1][Kaffee]. Die
       Produktionspreise liegen in Guatemala derzeit aber bei 1,80 US-Dollar pro
       Pfund Kaffee.“ Zu lange sind die aromatischen Bohnen unter Wert verramscht
       worden. Ein Überangebot auf dem Weltmarkt, aber auch die Spekulation mit
       dem nach Erdöl wichtigsten Weltmarktprodukt sei dafür verantwortlich, so de
       León.
       
       Das ist erst einmal vorbei, denn niedrige Ernteprognosen bei den
       wichtigsten Exporteuren, Brasilien und Vietnam, sorgen dafür, dass Kaffee
       weltweit deutlich knapper und somit auch deutlich teurer geworden ist.
       
       Das zeigt die Kursentwicklung an den Handelsplätzen in New York und London.
       Seit dem 20. Juli 2021, dem Tag, als die niedrigen Ernteprognosen die
       Kaffeewelt erschütterten, kennen sie nur noch eine Richtung: aufwärts. „Am
       12. Oktober stiegen die Kurse erstmals seit 2014 auf 200 US-Cent pro Pfund
       Kaffee. Für uns war das wenige Wochen vor dem Ernteauftakt eine positive
       Nachricht. So konnten noch etliche Kontrakte nachverhandelt werden. Unsere
       Bauern werden bei der laufenden Ernte endlich einmal Gewinne machen“, sagt
       de León. Am Mittwoch kostete das Pfund circa 2,30 Dollar.
       
       „Schulden abbauen“ lautet die Devise vorerst bei vielen Kaffeebauern
       Guatemalas. In den vergangenen Jahren hangelten sie sich laut Fedecocagua
       meist am Rande der Pleite entlang, weil der Weltmarktpreis unter ihren
       Produktionskosten lag. Auch am 20. Juli war das so. Da lag er mit 1,66
       US-Dollar pro US-amerikanisches Pfund von 453,6 Gramm unter der Marge der
       Rentabilität. Nur weil viele Bauern längst Fair-Trade- oder biozertifiziert
       sind, bekommen sie bessere Preise und obendrein verkaufen sie ihre besten
       Kaffees an Gourmet-Röstereien. Die legen für Spitzenqualität noch einmal
       etwas oben drauf. Nur wegen dieser dreigeteilten Verkaufsstrategie kommen
       die Bauern über die Runden.
       
       „Lokale Besonderheiten wie die nährstoffreichen Vulkanböden von Acatenango
       sorgen für große Nachfrage, gleichzeitig hat der Klimawandel in anderen
       Regionen wie der Costa de Sur den Kaffeeanbau zurückgehen lassen“,
       schildert de León die schwierigen Bedingungen. Die haben dafür gesorgt,
       dass die Produktionsmenge in Guatemala, nach Brasilien und Kolumbien der
       größte Kaffeeproduzent der Region, von 4,2 Millionen Sack à 69 Kilogramm
       auf 3,8 Millionen gesunken ist. Das hat Folgen, die sich in diesem Jahr an
       der Grenze der USA bemerkbar machen. Die Zahl der Migranten aus
       Mittelamerika ist außergewöhnlich hoch und auch eine Folge der Kaffeekrise
       der letzten Jahre, meint de León.
       
       Etliche Bauern sind vom Kaffee auch auf den Anbau von Avocado und
       Zuckerrohr oder die Rinderzucht umgestiegen, denn der Kaffeeanbau ist
       arbeitsintensiv und wurde zu lange zu mies honoriert, wie Andreas Felsen
       vom Hamburger Röstkollektiv Quijote Kaffee sagt. Diese Faktoren tragen
       neben den negativen klimatischen Effekten in Brasilien und Vietnam zum
       Ernteeinbruch bei. Zudem könnte das niedrige Produktionsniveau durchaus
       anhalten, weil der Klimawandel in allen Produzentenländern für Probleme
       sorgt. Hinzu kommen die Engpässe bei der Verfügbarkeit von Containern, was
       den Transport der Kaffeesäcke aus den Produktionsländern in die wichtigsten
       Konsumländer, die USA und die EU-Staaten, erschwert.
       
       Das kann sich 2022 mit guten Ernten in Brasilien und Vietnam wieder ändern,
       muss aber nicht. Ohnehin brauchen Kaffeepflanzen etwa drei Jahre, bis sie
       Früchte tragen, sodass die Kaffeekrise anhalten könne, so Felsen.
       „Grundsätzlich brauchen die Bauern kalkulierbare Preise, weshalb
       Kleinbauernorganisationen wie Símbolo de pequeños productores einen Preis
       von 2,30 US-Dollar pro Pfund Kaffee fordern.“ Das wäre ein Preis, der den
       Bauern ein anständiges Auskommen ermöglichen würde, so Felsen.
       
       Die Einkaufspreise von Quijote Kaffee liegen mit 3,10 US-Dollar pro Pfund
       Kaffee ohnehin noch deutlich über dem Börsenpreis. Dafür verlangt das
       direkt importierende Röstkollektiv hohe Qualität von den
       Partnergenossenschaften und finanziert die Ernte obendrein vor. Das ist
       selten im Kaffeehandel und sorgt ganz nebenbei für Liefersicherheit – in
       Zeiten knappen Angebots ein wichtiger Faktor.
       
       22 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kaffee/!t5010887
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knut Henkel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Kaffee
 (DIR) Guatemala
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Kaffee
 (DIR) Guatemala
 (DIR) Guatemala
 (DIR) Guatemala
 (DIR) Brasilien
 (DIR) Landgrabbing
 (DIR) Fairer Handel
 (DIR) Apokalypse der Woche
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Suche nach gerechtem Kaffee: Nicht die Bohne
       
       Gourmetkaffee ist in den letzten Jahren populärer geworden. Oft kommt er
       von kleinen Röstereien, aber auch die großen Kaffeeunternehmen mischen mit.
       
 (DIR) Kaffeekonsum: Beliebt und kompliziert
       
       Kaffee wird trotz steigender Preise zunehmend zum Massengetränk. Gerade
       afrikanische Produzent:innen haben davon aber nichts.
       
 (DIR) Ermittlungen in Guatemala: Skandal um Kaffee-Genossenschaften
       
       Die Justiz ermittelt gegen einen Kaffeeexporteur wegen Geldwäsche.
       Politische Hintergründe liegen nahe, denn die Vorwürfe waren bereits
       entkräftet.
       
 (DIR) Zivilgesellschaft in Guatemala: Aktivist:innen im Visier
       
       Seit dem Amtsantritt von Giammattei geraten Guatemalas NGOs unter Druck.
       Aktivist Santos warnt vor „radikalen Offensiven“ gegen die Gesellschaft.
       
 (DIR) 25 Jahre Abkommen in Guatemala: Friedlich ist es nicht
       
       In Guatemala beendete ein Friedensabkommen den blutigsten Bürgerkrieg
       Mittelamerikas. Doch heute grassieren Armut und Korruption.
       
 (DIR) Überschwemmungen in Brasilien: Zwei Staudämme gebrochen
       
       Der Bundesstaat Bahia ist seit Wochen von heftigen Regenfällen betroffen.
       Diese führten zu schweren Überschwemmungen und Erdrutschen.
       
 (DIR) Ugander über Landgrabbing: „Vertreibung war eine Katastrophe“
       
       Der Ugander Peter Baleke Kayiira berichtet über die Vertreibung seines
       Dorfs zugunsten der Hamburger Kaffeefirma Neumann – und fordert
       Entschädigung.
       
 (DIR) Gerechter Welthandel in der Pandemie: Umsatz fairer Produkte sinkt
       
       Geschlossene Läden, weniger Catering und Preisschlachten der Discounter
       lassen Umsätze sinken. Verkauf fairer Schokolade legt enorm zu.
       
 (DIR) Kaffeeanbau in Äthiopien: Klimawandel schadet Bohnen
       
       Halten Sie sich sicherheitshalber an Ihrer Tasse fest: In Afrikas größtem
       Kaffee-Anbaugebiet werden die Flächen für hochwertige Bohnen wohl kleiner.