# taz.de -- Italiens Flüchtlingspolitik: Kurzsichtiger Egoismus
       
       > Kaum ein Land geht so hart gegen Flüchtende vor wie Italien. Doch weder
       > begrenzt es damit die Zahl der Ankommenden noch seine eigenen Probleme.
       
 (IMG) Bild: Er hatte Glück, gerettet zu werden: Anlandender Migrant auf Sizilien am 13. März
       
       „Prima gli italiani!“ Italiener zuerst, ist seit Jahren der Schlachtruf der
       [1][Postfaschistin Giorgia Meloni] und auch ihres Koalitionspartners Matteo
       Salvini. Ginge es nach ihnen, würde sich Italien perfekt abschotten gegen
       die Elendsgestalten, die die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer
       riskieren, um nach Europa zu gelangen.
       
       „Seeblockaden“ hatte Meloni im Wahlkampf letztes Jahr verlangt, und Salvini
       war mit seinem Evergreen, der Forderung nach „geschlossenen Häfen“, im
       Rennen. Jetzt sitzen beide gemeinsam in der Regierung und müssen sich der
       harten Realität stellen: der Realität, dass die Geflüchteten, ob aus
       Syrien, Irak, Pakistan, aus Tunesien oder den Ländern Subsahara-Afrikas,
       einfach weiterhin kommen.
       
       Für Italiens Rechte ist das gegenwärtige Fluchtgeschehen [2][ein
       PR-Desaster], denn ausgerechnet seit ihrem Regierungsantritt im letzten
       Oktober ist die Zahl der eintreffenden Menschen nach oben geschnellt. Schon
       diese Tatsache ist ein klares Dementi der rechten Rhetorik, wonach vor
       allem die in der Rettung auf dem Mittelmeer tätigen NGOs die Schuld am
       Zufluss trugen: Die Tätigkeit der Retter*innen nämlich hat sie mit
       [3][schikanösen Auflagen] stark eingeschränkt.
       
       Doch Meloni macht ungerührt weiter. Jetzt geht es direkt gegen die
       Flüchtlinge selbst. Die Anerkennungsgründe sollen zusammengestrichen, die
       Unterbringungsbedingungen verschlechtert werden. Schon jetzt dürfen wir die
       Prognose wagen: Die Zahl der Migrant*innen wird dadurch nicht kleiner
       werden. Nur ihre Lebensbedingungen werden sich deutlich verschlechtern.
       
       Weniger Anerkennungen bedeuten ja nicht weniger Migrant*innen im Land,
       sondern mehr, die irregulär in Italien leben, die auf den schwarzen
       Arbeitsmarkt oder mangels anderer Perspektiven gleich in die Kriminalität
       gedrängt werden. Ausgerechnet die Sicherheitsfanatiker der italienischen
       Rechten tun so einiges dafür, mit ihrer inhumanen Politik die Städte
       unsicherer zu machen.
       
       Italien steht mit seiner Migrationsabwehr keineswegs allein in Europa: Die
       Bilder der letzten Jahre, aus Spaniens Afrika-Enklaven Ceuta und Melilla,
       aus dem französischen Calais, aus Kroatien oder von Polens Grenze zu
       Belarus belegen das. Meloni aber will von Immigration schier gar nichts
       wissen. Allerdings regiert sie das Land in Europa, das mangels Geburten am
       schnellsten vergreist, am schnellsten zu schrumpfen droht. Eine Antwort
       hierauf hat sie nicht. Nur eines weiß Meloni: Italiens Demografieproblem
       will sie „nicht mit Migranten“ lösen. Auch hier gilt schließlich „Italiener
       zuerst!“
       
       18 Apr 2023
       
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