# taz.de -- Lovecraft theatral in Hamburg-Harburg: Vom Kopf auf die Tentakel gestellt
       
       > Schatten über Hamburg-Harburg: Einer der bekanntesten Texte des
       > Grusel-Autors H.P. Lovecraft kommt auf eine Kleinstbühne – mit viel Mut
       > zum Albernen.
       
 (IMG) Bild: Angeekelt von der Moderne (und gerade deshalb höchst modern): Autor H. P. Lovecraft um 1930
       
       Albern. Der Kapitän schnackt breitestes Norddeutsch, zur Handvoll
       Requisiten gehören ein aufblasbarer Abendanzug und ein vermeintlich den
       Schädel spaltendes Hackebeil, Partyzubehör also. Und dann auch noch
       musikalische Einlagen? Textblätter liegen aus, Mitsingen ist ausdrücklich
       erwünscht, wenn nicht gar sanft gruppendruckerzeugte Pflicht.
       
       Dabei ist es kein munterer Stoff, den das Zwei-Leute-Privattheater/Kino
       „Antikyno“ im Hamburger Süden hier inszeniert, noch dazu als
       „Weltpremiere“, so schreiben die Betreiber:innen Nisan Arikan und Lars
       Henriks. Nein, es ist „Schatten über Innsmouth“, einer der bekanntesten
       Texte von [1][H. P. Lovecraft]; eines notorisch vor Fremdem sich ekelnden
       Fließband-Autors, des Erfinders des „kosmischen Horros“ voller
       tentakelbewehrter Geschöpfe; stilistisch angreifbar (die ganzen Adjektive!)
       und viel zu selten bezeichnet als Säulenheiliger von Incelbewegung und
       toxischem Fantum.
       
       Als „Autor, dessen Aktualität uns noch einholen wird“, [2][hat der Bremer
       Regisseur Levin Handschuh Lovecraft einmal bezeichnet], im Zusammenhang mit
       seiner eigenen, musiktheatralen beabeitung von „In the Mouth of Fire“:
       Lovecrafts kosmischer Horror sei „Zusammenspiel von Heimlichem und
       Unheimlichem“, reagiere auf zeitgenössische Flucht- und
       Migrationsbewegungen ebenso wie die Infragestellung tradierten Wissens
       durch so etwas vie Einsteins Relativitätstheorie.
       
       Von „einem der einflussreichsten Autoren der Moderne“ sprechen auch Arikan
       und Henriks, die hier von Kasse und Getränken über alle Rollen und bis zum
       Licht alles machen, ihrem „Lovecraft-Sommer“ voraus. Im Juli kommt noch
       „Dagon“ auf die Bühne, und es gibt einen gruseligen Spaziergang im
       Harburger Stadtpark.
       
       Erst mal aber „Innsmouth“, 1931 fertiggestellt und 1936 zum ersten Mal
       veröffentlicht; nun entschlackt um allerlei Rahmung und Rassismus (und, ja:
       viele Adjektive auch) – zugunsten einer neuen: Wo Lovecraft im Prinzip sich
       selbst als Ich-Erzähler in den heruntergekommenen Küstenort schickt, ist
       die doppelbödige Identifikationsfigur nun eine prekär beschäftigte junge
       Frau, die mit dem so fremden Ort [3][viel mehr verbindet], als es den
       Anschein hat; aus der Anreise per klapprigem Bus wird eine per Fähre, und
       irgendwann singen wir die Pixies: „[4][Where is my mind?] Way out, in the
       water, see it swimming“ …
       
       Für die mitunter zutiefst ernsten Fans des Gruselmeisters könnte dieser gut
       gelaunte Abend die blanke Ketzerei sein. Aber Mut zur Albernheit ist
       vielleicht der richtige, wenn nicht gar der einzige Weg, um umzugehen mit
       diesem Material.
       
       1 Jul 2023
       
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