# taz.de -- Bundestagswahlkampf in Berlin: „Manche fragen, warum noch SPD?“
       
       > Berlin wählt mal wieder. Die SPD-Politikerin Annika Klose geht von Tür zu
       > Tür, spricht über Scholz und Cannabis. Die Stimmung sei besser als
       > erwartet.
       
 (IMG) Bild: Übt sich trotz schlechter Umfragewerte für die Ampel in Zweckoptimismus: die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Annika Klose
       
       taz: Frau Klose, Sie sind gerade wieder mitten im Bundestagswahlkampf.
       Harte Zeiten für eine SPD-Politikerin, oder? 
       
       Annika Klose: Ja, das stimmt. [1][Ausgesucht haben wir uns das alle nicht]
       so. Trotzdem bietet dieser Wahlkampf auch Chancen, nämlich in politisch
       stürmischen Zeiten intensiv ins Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern zu
       kommen. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen gerade wirklich viele Fragen
       haben, und dass es da auch gut ist, mal wieder an den Haustüren zu
       klingeln.
       
       Die Türen werden Ihnen also nicht vor der Nase zugeschlagen, wenn Sie
       klingeln und sagen ‚Annika Klose von der SPD‘? 
       
       Tatsächlich nicht. Ich habe eine schlechtere Stimmung erwartet. Da ist viel
       Offenheit, aber auch viel Verunsicherung. Aber auch die Bereitschaft
       zuzuhören, und ich finde es wohltuend, diesen Dialog zu führen.
       
       Was für Fragen haben die Menschen? 
       
       Teilweise wissen die Menschen nicht, woran sie bei dieser Regierung sind.
       Und manche stellen sich und mir die Frage, warum jetzt noch SPD wählen?
       Dann wieder heißt es, sorgen Sie doch mal dafür, dass diese Regierung
       funktioniert. Ich glaube, dass sich die Menschen gerade Stabilität
       wünschen, dass sie sich wünschen, einen Fahrplan zu bekommen, wo es dann
       jetzt hingehen soll, und dass Entscheidungen eben auch Bestand haben.
       
       Was heißt das für den Umgang von SPD, Grünen und FDP untereinander? 
       
       Es ist mittlerweile bei allen Dreien Konsens, dass wir uns wünschen, dass
       unser Regierungshandeln wieder geräuschloser läuft. Dass wir nach über zwei
       Jahren sehr intensiver Krisenbewältigung, sehr schneller Beschlussfassung
       jetzt wieder in ruhigere Fahrwasser kommen und unsere Beschlüsse gut
       erklären und stabil durchbringen müssen.
       
       Also Tempo rausnehmen? 
       
       Tempo rauszunehmen ist eine gute Idee. Aber wir sollten auch eine
       Bestandsaufnahme machen, was unter den aktuellen Vorzeichen noch machbar
       ist.
       
       Was halten Sie in der Ampel noch für umsetzbar? 
       
       Gerade haben wir das Staatsbürgerschaftsrecht reformiert, das war gut. Wir
       müssen nun schauen, wie wir das Rentenniveau weiter stabilisieren, wir
       müssen [2][bei der Kindergrundsicherung die entscheidenden Weichen] stellen
       und aus Berliner Perspekive fände ich es gut, dass wir bei der
       [3][Legalisierung von Cannabis] endlich vorankommen.
       
       Letzteres ist vielleicht nicht das Thema, auf das die meisten Menschen
       dringend warten. 
       
       Richtig, es ist jetzt nicht das alles entscheidende Thema, aber viele
       warten darauf. Und ich kann mir keine andere politische Konstellation
       vorstellen, in der das möglich wird.
       
       Bei der Kindergrundsicherung hatte die Ampel einen Paradigmenwechsel
       versprochen, hin zu einer Bringschuld des Staates. Kommt der? 
       
       Bei der Kindergrundsicherung sind wir mit Herausforderungen konfrontiert,
       die größer sind, als wir uns vorgestellt haben. Zum Beispiel, dass unsere
       Verwaltung eben noch nicht so digitalisiert ist, wie es nötig wäre. Oder
       dass es zwischen Kommunen, Land und Bund unterschiedliche Zuständigkeiten
       gibt, die schwer auseinander zu dividieren sind. Das umzusetzen wird
       schwer.
       
       Also wird es nicht der große Wurf? 
       
       Wir werden das Beste herausholen.
       
       Wieviel Verantwortung trägt der Kanzler für die Unbeliebtheit der Ampel –
       muss Scholz stärker führen? 
       
       Der Kanzler trägt viel Verantwortung, aber ich habe schon den Eindruck,
       dass er führt.
       
       Echt? 
       
       Ja, er vermittelt hinter den Kulissen, um da die Knoten zu lösen. Die
       Kindergrundsicherung ist so ein Beispiel, wo er vermittelt und sich
       wirklich reingekniet hat. Aber am Ende haben alle in der Koalition eine
       Verantwortung zusammenzuwirken und nicht vor allem auf die eigene
       Profilierung zu schauen.
       
       Meinen Sie Christian Lindner? 
       
       [4][Sicherlich hat auch der Finanzminister seinen Anteil], aber ich meine
       tatsächlich das gesamte Bundeskabinett. Es wäre notwendig, dass die
       Ministerien besser zusammenarbeiten und sich als Team begreifen.
       
       Olaf Scholz wurde kürzlich beim Handballspiel ausgepfiffen. Müssen Sie ihn
       im Haustürwahlkampf auch so verteidigen? 
       
       Das Auspfeifen fand ich respektlos. Mein Eindruck ist, dass wir als Ampel
       mehr erklären müssen, was wir tun, was unsere Strategie ist und wo wir hin
       wollen mit dieser Gesellschaft. [5][Dass er zu wenig erklärt, wird Olaf
       vorgeworfen], aber ich finde, den Schuh müssen wir uns alle anziehen.
       
       Können Sie als Parteilinke noch guten Gewissens die SPD-Politik vertreten?
       Beim Bürgergeld werden jetzt wieder harte Sanktionen eingeführt, dabei
       wollte man weg davon. 
       
       Das fällt mir extrem schwer und ich finde Sanktionen auch nicht richtig.
       Trotzdem versuche ich, den Gesamtkontext zu sehen. Wir haben im November
       dieses Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts bekommen, mit dem
       wirklich niemand gerechnet hat. Und das hat dazu geführt, dass wir jetzt 60
       Milliarden Euro kompensieren mussten über den Haushalt.
       
       Mit Sanktionen sollen maximal 170 Million Euro eingespart werden, wobei
       unklar ist, ob es wirklich so viel wird. War es wirklich nötig, sie zu
       verschärfen? 
       
       Das A und O der SPD in diesen Verhandlungen war, dass wir keine
       Sozialkürzungen wollten, keine Kürzung der Rente, keine Kürzung des
       Bürgergelds, dass wir uns insgesamt schützend vor diesen Sozialstaat
       gestellt haben. Und dass trotzdem weiter investiert wird, in
       Halbleiterfabriken im Osten, in Klimaschutzmaßnahmen. Es schmerzt mich,
       dass das Bürgergeld in die Verhandlungen reingezogen wurde, aber ich weiß
       auch, dass es vielleicht nötig war, um diese Regierung zusammenzuhalten, um
       überhaupt zu einem Kompromiss zu kommen und gemeinsam weitermachen zu
       können.
       
       Lohnt es sich wirklich noch für diese Ampel zu kämpfen? 
       
       Die Ampel ist für mich immer noch eine progressive Regierungskoalition. Mit
       drei unterschiedlichen Partnern, was man ja auch merkt, aber mit dem
       Anspruch diese Gesellschaft voranzubringen. Und ich finde es ganz wichtig,
       dieser Gesellschaft eben auch zu zeigen, man kann tatsächlich Dinge
       gestalten und nicht nur 16 Jahre lang verschlafen. Deshalb lohnt es sich,
       für die Ampel zu kämpfen. Aber sie muss besser funktionieren als in den
       letzten Monaten.
       
       Bei der Wahl 2021 erreichten Sie in Ihrem Wahlkreis 22 Prozent und kamen
       über die Landesliste in den Bundestag. Womit wären Sie heute zufrieden? 
       
       Ich hoffe, dass die Wahlbeteiligung hoch ist, dass die Leute ihr
       demokratisches Recht wahrnehmen, zu wählen. Und natürlich hoffe ich auch
       auf ein gutes Abschneiden der SPD.
       
       Das ist wohl eher nicht zu erwarten. Die CDU ruft dazu auf, der Ampel ein
       Stoppschild zu zeigen. 
       
       Das finde ich etwas würdelos. Wir stellen unsere Inhalte dagegen, nämlich
       Demokratie verteidigen, Armut bekämpfen und Wohlstand sichern. Also, wofür
       wir stehen und nicht wogegen wir sind. Ich finde das überzeugender und ich
       hoffe, die Wähler*innen sehen das auch so.
       
       9 Feb 2024
       
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