# taz.de -- Grüne und SPD im Haushaltsstreit: Die Macht der gelben Zwerge
       
       > Die FDP hat weniger als ein Viertel der Ampel-Sitze im Bundestag.
       > Trotzdem dominiert sie die Regierungslinie, weil Grüne und SPD nicht
       > zusammenarbeiten.
       
 (IMG) Bild: Die Blockademacht der FDP übersteigt ihr Wahlergebnis um ein Vielfaches
       
       Es wäre alles so einfach, würde Politik funktionieren wie Mathematik. 325
       Sitze haben SPD und Grüne im Bundestag, gerade mal 91 hat die FDP.
       Entspräche die Machtverteilung in der Ampel eins zu eins diesen
       Größenverhältnissen, wäre die Aufstellung des nächsten Bundeshaushalts kein
       Problem. Die Regierung müsste ihren Kabinettsbeschluss nicht verschieben,
       sie hätte ihn längst getroffen. Wie von Sozialdemokraten und Grünen
       gewünscht, würden für 2025 Ausnahmen von der Schuldenbremse gelten. Durch
       Kredite würden Einsparungen vermieden und Investitionen ermöglicht. Die
       Freidemokraten als kleinster Partner dürften am Ende noch ihr
       Schönheitspflaster draufkleben: Steuersenkungen für Gutverdienende
       vielleicht oder auch eine Nullrunde beim Bürgergeld.
       
       Leider ist nach zweieinhalb Jahren Ampel klar: So läuft es mit der FDP
       nicht. Ihr Einfluss, oder genauer ihre Blockademacht, übersteigt ihr
       Wahlergebnis um ein Vielfaches. Das hat viel damit zu tun, dass den
       Liberalen mehr daran liegt, Projekte der Koalitionspartner zu verhindern,
       als eigene durchzusetzen. In einem politischen System, das auch kleinen
       Koalitionspartnern de facto ein Vetorecht gibt, ist sie damit im Vorteil.
       
       Die Macht der FDP wird aber auch dadurch begünstigt, dass SPD und Grüne
       inhaltlich zwar oft das Gleiche wollen – es aber selten schaffen,
       strategisch zusammenarbeiten und sich damit im Dreierbündnis durchzusetzen.
       
       ## SPD und Grünen fehlt der Plan
       
       Die aktuelle Etatdiskussion ist dafür das nächste Beispiel. Die SPD poltert
       seit der verlorenen Europawahl öffentlich gegen den Finanzminister,
       Parteichefin Saskia Esken attestierte Christian Lindner wegen seiner
       Sparforderungen sogar einen „historischen Fehler“.
       
       Die Grünen tragen zwar ähnliche Kritikpunkte vor, formulieren sie aber
       sanfter, lassen eine Hand in Richtung FDP ausgestreckt und richten den
       Zeigefinger der anderen auf die SPD: Hört auf zu streiten, das bringt
       nichts! Welcher der beiden Ansätze mehr Erfolg verspricht, sei
       dahingestellt. Eindeutig ist aber: Ein koordiniertes Vorgehen für die
       gemeinsame Sache sähe anders aus. Es fehlt ein gemeinsamer Plan dafür, wie
       SPD und Grüne ihre Kräfte klug bündeln könnten, ohne die FDP damit in die
       Ecke zu drängen.
       
       Und das zieht sich durch. In wechselnden Rollen war dieses Schauspiel in
       den vergangenen 30 Monaten immer wieder zu beobachten. In anderen Fällen –
       Kindergrundsicherung, Atomkraft oder Planungsbeschleunigung – rieben sich
       die Grünen öffentlich an der FDP auf, während die SPD schweigend daneben
       stand. Nur gelegentlich ist so etwas wie eine rot-grüne Koalition in der
       Koalition erkennbar. Spricht man mit Abgeordneten der verschiedenen
       Fraktionen, spürt man eher das Gegenteil: SPD-Leute und Grüne äußern sich
       häufiger verächtlicher übereinander als beide zusammen über die FDP.
       
       Komplett überraschend kommt das nicht. Schon in der gemeinsamen
       Zweierkoalition von 1998 bis 2005 gab es zwischen SPD und Grünen
       atmosphärische Probleme. Damals war der Knackpunkt, dass beide Parteien
       nicht auf Augenhöhe waren und die kleinen Grünen nicht mit der „Koch und
       Kellner“-Erwartung der großen Sozialdemokraten klarkamen.
       
       Mittlerweile konkurrieren sie miteinander um die Vorherrschaft in der
       linken Mitte und das macht die Sache fast noch schlimmer: Misstrauen und
       Neid erschweren die strategische Zusammenarbeit. Umso bitterer ist das, da
       die Ampel auf absehbare Zeit die letzte Koalition sein könnte, in der das
       Mitte-links-Lager in der Mehrheit ist. SPD und Grüne sind nicht in einer
       Lage, in der sie ihr Potenzial locker liegen lassen können.
       
       ## Keine schönen Aussichten
       
       Leider spricht aber auch nichts dafür, dass sich am aktuellen Zustand bis
       zum Ende der Legislaturperiode noch etwas ändert. Nach ihren Verlusten bei
       der Europawahl sind beide Parteien nervös, die Sozialdemokraten noch mehr
       als die Grünen. Nach den erwartbaren Niederlagen bei den Landtagswahlen im
       September könnte sich das noch verstärken. Und dann beginnt im Grunde auch
       schon der Wahlkampf für 2025. Keine guten Voraussetzungen, um doch noch von
       Konkurrenz auf Kooperation umzuschalten.
       
       Bleibt nur noch eine Hoffnung: dass sich die Parteistrategen nach ihren
       Erfahrungen in dieser Legislatur schon jetzt darauf vorbereiten, wie sie in
       einer künftigen Koalition erfolgreicher agieren könnten. Aller Voraussicht
       nach wird es nach 2025 zwar keine Ampel mehr geben. Stand jetzt ist es auch
       unwahrscheinlich, dass Rote und Grüne in einer anderen Konstellation
       miteinander weiterregieren.
       
       Gut möglich ist aber, dass eine der beiden Parteien mit der Union koaliert
       – und dann wieder mit einem schwierigen Partner konfrontiert ist. Welche
       von ihnen es auch sein wird: Wie sie Friedrich Merz besser beikommt als
       Christian Lindner – das ist noch entscheidender als die Frage, wie sie bei
       der Bundestagswahl wieder ein paar Prozentpunkte mehr holt.
       
       26 Jun 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Schulze
       
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