# taz.de -- Prüfauftrag nach Gaza-Protesten: Staatssekretärin Döring muss gehen
       
       > Das Bildungsministerium ließ Strafen für Autor*innen eines offenen
       > Briefs prüfen. Konsequenzen gibt es jetzt – aber nicht für die
       > Dozent*innen.
       
 (IMG) Bild: Job verloren: Bildungsministerin Stark-Watzinger entlässt Staatssekretärin Sabine Döring (hier im Bild)
       
       BERLIN dpa | Im Bundesbildungsministerium gibt es personelle Konsequenzen
       [1][nach Kritik am Umgang mit einem offenen Brief zu propalästinensischem
       Hochschul-Protest]. Staatssekretärin Sabine Döring soll in den
       einstweiligen Ruhestand versetzt werden, wie Ministerin Bettina
       Stark-Watzinger (FDP) am späten Sonntagabend mitteilte. Darum habe sie
       Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gebeten. Hintergrund ist ein interner
       Prüfauftrag zu möglichen förderrechtlichen Konsequenzen für
       Hochschullehrer, die die Räumung eines Protestcamps propalästinensischer
       Demonstranten an einer Berliner Universität kritisiert hatten.
       
       „Die Wissenschaftsfreiheit ist ein sehr hohes Gut und zu Recht
       verfassungsrechtlich geschützt“, erklärte Stark-Watzinger. Der entstandene
       Eindruck sei geeignet, das Vertrauen von Wissenschaftlerinnen und
       Wissenschaftlern in das Bundesbildungsministerium „nachhaltig zu
       beschädigen“. „Wissenschaftsförderung erfolgt nach wissenschaftlichen
       Kriterien, nicht nach politischer Weltanschauung“, betonte die
       Ressortchefin.
       
       Stark-Watzinger hatte den im Mai veröffentlichten Brief scharf kritisiert:
       „Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, werden
       Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost“, sagte sie damals
       der Bild-Zeitung. Kürzlich berichtete dann das ARD-Magazin „Panorama“ unter
       Berufung auf interne E-Mails, im Bildungsministerium sei um eine Prüfung
       gebeten worden, inwieweit Aussagen im Brief strafrechtlich relevant sind
       und ob das Ministerium als Konsequenz Fördermittel streichen könnte. Das
       sorgte für Kritik.
       
       Stark-Watzinger erklärte nun, ihr sei eine E-Mail der Fachebene ihres
       Ministeriums zu diesem Thema am 11. Juni „zur Kenntnis gebracht worden“.
       Sie habe veranlasst, dass der Sachverhalt gründlich und transparent
       aufgearbeitet werde. „Fest steht, dass eine Prüfung potentieller
       förderrechtlicher Konsequenzen bei den zuständigen Fachreferaten in der Tat
       erbeten wurde.“
       
       Die für die Hochschulabteilung zuständige Staatssekretärin Döring habe den
       Prüfauftrag veranlasst. „Ebenfalls hat sie erklärt, dass sie sich bei ihrem
       Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe.
       Nichtsdestotrotz wurde der Eindruck erweckt, dass die Prüfung
       förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit
       gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung
       (BMBF) erwogen werde.“ Das widerspreche den Prinzipien der
       Wissenschaftsfreiheit, unterstrich die FDP-Politikerin. „Prüfungen
       förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten
       Äußerungen finden nicht statt.“
       
       ## „Von der Meinungsfreiheit gedeckt“
       
       Döring hatte vergangene Woche erklärt, die Hausleitung habe „sehr zeitnah
       nach Erteilung des Prüfauftrags klargestellt, dass zuwendungsrechtliche
       Aspekte“ nicht Bestandteil der rechtlichen Prüfung sein sollten. Diese habe
       ergeben, dass der Inhalt des Briefs von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
       
       In einem „Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten“ hatten
       [2][mehr als 100 Dozenten von mehreren Berliner Hochschulen] im Mai die
       Räumung eines Protestcamps propalästinensischer Demonstranten an der Freien
       Universität Berlin kritisiert. „Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten
       Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere
       Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch
       die Besetzung von Uni-Gelände einschließt“, schrieben sie. Und weiter: „Wir
       fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen
       ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher
       Verfolgung abzusehen.“
       
       Stark-Watzinger reagierte schon damals entsetzt auf den Unterstützerbrief.
       „Es macht mich bis heute fassungslos, wie einseitig in diesem Brief der
       Terror der Hamas ausgeblendet wurde“, erklärte sie nun. „Und wie dort etwa
       pauschal gefordert wurde, Straftaten an den Universitäten nicht zu
       verfolgen, während gleichzeitig antisemitische Volksverhetzung und
       gewalttätige Übergriffe gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zu
       beobachten sind.“
       
       Sie betonte jetzt aber mit Blick auf den offenen Brief auch: „Das ist ein
       legitimer Teil von Debatte und Meinungsfreiheit. Genauso selbstverständlich
       ist es, dem eine andere Meinung gegenüberzustellen.“
       
       Der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion,
       Thomas Jarzombek, forderte die Ressortchefin zum Rücktritt auf.
       „Bundesministerin Stark-Watzinger hat Recht: Ein personeller Neuanfang im
       BMBF ist notwendig. Sie muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen“,
       erklärte er. „Es war ihre Ansage, dass sich die Dozenten mit ihrem Brief
       nicht auf dem Boden des Grundgesetzes befänden.“ Damit habe sie die
       Richtung für das Ministerium vorgegeben. „Dass sie dies mit keinem Wort
       einordnet, spricht Bände über die tatsächlichen Abläufe.“
       
       17 Jun 2024
       
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