# taz.de -- US-Gerichtshof urteilt zu Trump: Ein gefährlicher Weg
       
       > US-Gerichtshof bestätigt Immunität für Amtshandlungen eines Präsidenten.
       > Das öffnet Tür und Tor für künftige autoritäre Populisten. Zuallererst
       > Trump.
       
 (IMG) Bild: Ein glücklicher Trump-Anhänger am Montag vor dem Supreme Court in Washington
       
       Wenn man sich irgendwann einmal fragen wird, wie es so weit hat kommen
       können mit dem Niedergang von Demokratie und Rechtsstaat in den USA, dann
       wird der 1. Juli 2024 in Erinnerung bleiben. Das [1][Urteil der
       konservativen Mehrheit des Obersten Gerichtshofes vom Montag], das
       amtierenden wie ehemaligen US-Präsidenten absolute Immunität für alle
       offiziellen Amtshandlungen zusichert, die Definition dessen, was als
       „offizielle“ Amtshandlung anzusehen sei, aber den unteren Instanzen
       überlässt, öffnet dem Machtmissbrauch Tür und Tor.
       
       Unmittelbar besteht der Effekt des Urteils darin, dass Donald Trump sich
       nunmehr mit fast 100-prozentiger Sicherheit nicht mehr vor dem Wahltag am
       5. November für seine [2][betrügerischen Versuche] vor Gericht verantworten
       muss, die Wahlergebnisse von 2020 in ihr Gegenteil zu verkehren. Darum war
       es Trumps Anwälten zunächst vor allem anderen gegangen, und die Obersten
       Richter*innen spielten Trumps Spiel mit und verzögerten das Verfahren
       bis zum letztmöglichen Moment vor ihrer Sommerpause.
       
       Aber die Gefahr des Urteils besteht nicht vor allem darin, Trump ein
       bisschen dabei zu helfen, im November erneut die Wahlen zu gewinnen. Dafür
       dürften die Unbeliebtheit des Präsidenten Joe Biden, dessen nicht
       wiedergutzumachende [3][Debattenkatastrophe] vom vergangenen Donnerstag und
       die absehbare Unfähigkeit der Demokratischen Partei, die Reißleine zu
       ziehen, die wichtigeren Faktoren sein.
       
       ## Alles möglich für künftige autoritäre Populisten
       
       Das Schlimmste an dem Urteil ist, welche Möglichkeiten sich damit Trump
       oder zukünftigen autoritären Populisten ergeben. Bei der [4][Anhörung vor
       dem Obersten Gerichtshof Ende April] stellten die Richter*innen Trumps
       Anwälten die Frage, ob sie sich unter „absoluter Immunität“ auch
       vorzustellen hätten, dass ein Präsident, der als Oberbefehlshaber das
       Militär anweist, einen politischen Gegner zu ermorden, dafür straffrei
       bliebe. „Kommt drauf an“, war die Antwort.
       
       Das hätte alle Alarmglocken schrillen lassen müssen – aber dennoch folgten
       die Richter*innen im wesentlichen Trumps Argumentation. Demnach müsse
       ein Präsident vor späterer Strafverfolgung geschützt bleiben, wenn er im
       Interesse des Landes jene oftmals harten Entscheidungen mutig treffen
       solle, die das Amt nun einmal erfordere.
       
       Hätten die Richter*innen wenigstens klar definiert, was als offizielle,
       also vor Strafverfolgung geschützte und was als nicht-offizielle Handlungen
       anzusehen sei, könnte es noch ein paar Leitplanken geben. Aber genau das
       überließen die Richter*innen unter Vorsitz von John Roberts den unteren
       Instanzen.
       
       Womöglich sorgt jetzt Trump wider Willen selbst dafür, dass erste
       Präzedenzfälle recht bald entschieden werden. Nur Stunden nach dem Urteil
       [5][schickte er am Montag seine Anwälte nach New York], um seine dortige
       [6][Verurteilung im Schweigegeldverfahren] aufgrund des
       Supreme-Court-Urteils anfechten zu lassen. Ein Urteil also, das sich auf
       Taten vor dem Amtsantritt Trumps bezieht und erkennbar mit den Aufgaben
       eines Präsidenten überhaupt nichts zu tun hat.
       
       ## Dann ist wirklich alles verloren
       
       Sollte irgendein Gericht diesem irrsinnigen Begehren von Trump folgen, dann
       ist wirklich alles verloren. Wahrscheinlicher ist, dass sein Antrag
       lediglich dazu führt, dass die für Mitte Juli geplante Verkündung des
       Strafmaßes und das anschließende Berufungsverfahren dadurch ebenfalls so in
       die Länge gezogen werden, dass vor dem Wahltag nichts mehr passiert.
       
       Die von Trump beschaffte konservative 6:3-Mehrheit im Obersten Gerichtshof
       zeigt ihre fatale Wirkung. Die [7][von der rechten Juristenorganisation
       Federalist Society nach einem klar politischen Fahrplan vorgeschlagenen
       Richter*innen] liefern, was von ihnen erwartet wird. Das Gericht ist
       nach wie vor formal unabhängig – es urteilt ja nun erkennbar nicht im Sinne
       oder gar auf Weisung der derzeitigen US-Regierung – folgt aber einer
       politischen Agenda.
       
       Kommt Trump wieder an die Macht, kann er auf allen Ebenen der Justiz viele
       weitere Richter von der Liste der Federalist Society einsetzen. Das Recht,
       das vor Übergriffen der politisch Mächtigen schützt, könnte dann
       tatsächlich in den USA der Vergangenheit angehören.
       
       2 Jul 2024
       
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 (DIR) Bernd Pickert
       
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