# taz.de -- Bund-Länder-Beratungen zu Migration: Prüfen, immer weiter prüfen
       
       > Kanzler Scholz will Asylverfahren im Ausland weiter ausloten. Die Länder
       > einigen sich, Bargeldabhebungen für Geflüchtete auf 50 Euro zu begrenzen.
       
 (IMG) Bild: Wollen weiter prüfen: Kanzler Olaf Scholz (l.) und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (r.) am Donnerstag
       
       BERLIN taz | Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will die umstrittenen
       Asylverfahren in Drittstaaten weiter prüfen. Das kündigte er nach den
       [1][Beratungen mit den Ministerpräsident*innen der Länder] am
       Donnerstagabend an. „Es ist fest vereinbart, dass wir den Prozess
       fortführen und in diesen Fragen auch weiter berichten werden“, so Scholz.
       Die Länderchef*innen einigten sich am Donnerstag zudem untereinander
       auf ein gemeinsames Bargeldlimit bei der Bezahlkarte für Geflüchtete.
       
       Die Ministerpräsident*innen interpretierten Scholz Ankündigung
       höchst unterschiedlich. Hessens Boris Rhein (CDU) sagte nach dem Treffen:
       „Wir werden jetzt nicht bei Gutachten stehenbleiben, das begrüße ich sehr.“
       Sein SPD-Amtskollege aus Niedersachsen, Stephan Weil sagte dagegen: „Dass
       das eine Lösung unserer strukturellen Probleme sein wird, das glaube ich
       nicht.“ Thüringen und Bremen kritisierten die Absprachen in einer
       Protokollerklärung mit Verweis auf drohende Menschenrechtsverletzungen und
       Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland.
       
       Erste Ergebnisse der Prüfung, bei der es um „konkrete Modelle“ für die
       ausgelagerten Asylverfahren gehen soll, will Scholz Anfang Oktober
       vorstellen – nicht ganz zufällig also nach den Landtagswahlen in Thüringen,
       Sachsen und Brandenburg. Ein [2][Prüfbericht aus dem
       Bundesinnenministerium], der vorab öffentlich geworden war, kam bereits zu
       dem Fazit, dass Verfahren im Ausland zwar rechtlich möglich wären,
       [3][praktisch aber kompliziert, teuer und menschenrechtlich problematisch
       seien].
       
       Auch Aktivist*innen fürchten, dass Geflüchtete fernab der
       Öffentlichkeit Menschenrechtsverletzungen drohen könnten. Sie kritisieren
       zudem absehbar hohe Kosten und großen Verwaltungsaufwand. Die Überlegungen
       seien zudem neokolonial. „Die Auslagerung von Asylverfahren ist weder
       rechtlich noch praktisch machbar“, heißt es in einer Erklärung von Amnesty
       International. „Wer in Europa Schutz sucht, muss ihn auch hier erhalten!“
       Wiebke Judith, Rechtsexpertin von ProAsyl, sprach von einer „Scheinlösung“
       und einem „Irrweg“, der keine „der aktuellen Herausforderungen lösen wird.“
       
       Trotzdem drängen CDU und CSU seit Monaten auf solche Pläne und verweisen
       auf die Vorhaben von Großbritannien und Italien, die Asylverfahren nach
       Ruanda und Albanien auslagern wollen. Angesprochen auf diese Modelle
       verwies Scholz am Donnerstag auf die geringe Größenordnung der britischen
       und italienischen Pläne, bei denen es jeweils nur um wenige tausend
       Geflüchtete gehen soll. Dies habe mit den Problemen, vor denen Deutschland
       stehe, „nur ein bisschen was zu tun“.
       
       ## Keine Beschlüsse zum Bürgergeld für Ukrainer*innen
       
       Scholz berichtete den Ländern zudem über die Bemühungen der
       Bundesregierung, [4][Straftäter und Gefährder künftig wieder nach
       Afghanistan und Syrien abzuschieben]. Scholz sagte, man sei „auf einem
       guten Weg“. Menschenrechtsaktivist*innen kritisieren auch diese
       Pläne scharf: Abgeschobenen drohe in den Unrechtsstaaten Syrien und
       Afghanistan Folter und Todesstrafe. Zudem dürfe die internationale Ächtung
       der Regime in Kabul und Damaskus nicht aufgehoben werden, nur um wieder
       dorthin abschieben zu können.
       
       Keine Beschlüsse gab es am Donnerstag zu den staatlichen Leistungen für
       Geflüchtete aus der Ukraine. Bisher erhalten sie Bürgergeld. Union und FDP
       hatten vor dem Gipfel gefordert, neu ankommenden Ukrainer*innen künftig
       nur noch Beträge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auszuzahlen, die in
       den ersten 36 Monaten deutlich unter dem Bürgergeld liegen. Die Vorstöße
       waren bei den Ministerpräsident*innen allerdings auf wenig
       Gegenliebe gestoßen: Für das Bürgergeld zahlt der Bund, die Leistungen für
       reguläre Asylbewerber*innen stammen dagegen aus den Kassen der Länder.
       
       Vor dem Treffen mit Scholz hatten sich die Ministerpräsident*innen
       bereits [5][auf ein gemeinsames Bargeldlimit für die Bezahlkarte geeinigt],
       über die Asylbewerber*innen künftig ihre staatlichen Leistungen
       erhalten sollen. Der beschlossene Betrag von 50 Euro stellt dabei eine
       weitere Verschärfung der Pläne dar, die ohnehin bereits einen schweren
       Eingriff in das Leben von Geflüchteten bedeuten. Hessens Boris Rhein (CDU)
       sprach von einem „wichtigen Zeichen“.
       
       ## Weitere Niederlage für die Grünen
       
       Allerdings blieb zunächst unklar, ob wirklich alle der 14 Länder, die sich
       an dem gemeinsamen Kartenmodell beteiligen wollen, tatsächlich die
       Umsetzung der jüngsten Beschlüsse planen. Bremen und Thüringen sprechen
       sich in einer Protokollerklärung für einen „Bargeldkorridor von 50 bis 120
       Euro“ aus, auch Rheinland-Pfalz wandte sich gegen eine „starre“ Begrenzung.
       Bayern und Mecklenburg-Vorpommern planen ohnehin jeweils eigene
       Kartenmodelle.
       
       Die Einigung auf 50 Euro bedeutet eine weitere Niederlage für die Grünen,
       die sich in den Ländern bisher für ein deutlich höheres Limit eingesetzt
       hatten. So oder so verloren haben die Asylbewerber*innen, die mit den
       Karten künftig keine Überweisungen mehr tätigen können und nur noch
       begrenzten Zugang zu Bargeld haben.
       
       Einzig positives Ergebnis der Bund-Länder Beratungen ist der Beschluss,
       eine dauerhafte Kommission gegen Antiziganismus einzurichten. Der
       Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antiziganismus, Mehmet
       Daimagüler, sprach von einem „starken Zeichen der demokratischen Einigkeit
       gegen Hass und Hetze gegenüber Minderheiten.“ Auch der Zentralrat der Sinti
       und Roma begrüßte die Entscheidung. Der Vorsitzende Romani Rose sagte, dies
       mache deutlich, „dass die Bundesregierung auch die Gefahren des
       Antiziganismus verstärkt in den Fokus nimmt.“
       
       Aktualisiert und ergänzt am 21.06.2021 um 11:45 Uhr. d. R.
       
       21 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Migrationspolitik-in-Deutschland/!6014829
 (DIR) [2] /Asylverfahren-in-Drittstaaten/!6014711
 (DIR) [3] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2024/06/mpk-drittstaaten.html
 (DIR) [4] /Abschiebungen-nach-Afghanistan/!6014777
 (DIR) [5] https://hessen.de/sites/hessen.hessen.de/files/2024-06/mpk_20.06._top_1.5.1_b_bezahlkarte.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederik Eikmanns
       
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