# taz.de -- Strafe bei Terminversäumnis: Wieder mehr Kürzungen bei Hartz IV
       
       > Der Arbeitsagenturchef ist gegen eine komplette Abschaffung von
       > Sanktionen. Arbeitsminister Heil warnt vor Kriegsfolgen beim Jobmarkt.
       
 (IMG) Bild: Besorgt wegen Kriegsfolgen: Arbeitsminister Heil spricht mit geflüchteten Kindern aus der Ukraine
       
       BERLIN taz | Die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger:innen ist im
       vergangenen Jahr leicht gestiegen, bleibt aber auf einem deutlich
       niedrigeren Niveau als in der Zeit vor der Pandemie. Der
       Vorstandsvorsitzende der Bundesarbeitsagentur, Detlef Scheele, verteidigte
       am Montag Leistungskürzungen, die auch weiterhin bei Meldeversäumnissen
       ausgesprochen werden können. „Für eine sehr geringe Minderheit brauchen wir
       auch weiterhin eine Handhabe, wenn sie zum Beispiel Beratungsgespräche ohne
       Grund versäumen“, erklärte Scheele.
       
       Im Jahr 2021 sprachen die Jobcenter fast 194.000 Sanktionen gegen
       Hartz-IV-Empfänger:innen aus, knapp 23.000 mehr als im Jahr 2020. Laut
       [1][Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit (BA)] wurden 2019 aber noch
       knapp 807.000 Leistungsminderungen verhängt.
       
       Sanktionen sind mit Kürzungen beim Regelsatz verbunden, etwa weil ein:e
       Leistungsempfänger:in eine Arbeitsmaßnahme ablehnt oder – was am
       häufigsten vorkommt – zu einem Termin ohne wichtigen Grund nicht erscheint.
       Nach einem [2][Urteil des Bundesverfassungsgerichts] aus dem Jahr 2019
       dürfen die Leistungen dabei um nicht mehr als 30 Prozent des Regelsatzes
       gemindert werden.
       
       Der auffällige Rückgang bei den Sanktionen von 2020 gegenüber dem Vorjahr
       2019 resultierte unter anderem aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
       und den Umständen der Pandemie, hieß es bei der BA. Während der Pandemie
       wurden vor allem Beratungstermine am Telefon angeboten, wer die nicht
       wahrnahm, wurde aber nicht sanktioniert. Im vergangenen Jahr waren drei
       Prozent der Hartz-IV-Bezieher:innen in Deutschland von Sanktionen
       betroffen.
       
       ## Ampelregierung plant „Bürgergeld“
       
       Das Thema Sanktionen ist politisch brisant, denn die Ampel-Regierung hat
       Sanktionen aufgrund [3][von Pflichtverletzungen für
       Hartz-IV-Empfänger:innen laut einem neuen Gesetz] bis Ende des Jahres 2022
       weitgehend aufgehoben. Dabei bleiben aber – entgegen den Wünschen der
       Grünen – Sanktionen wegen Terminversäumnissen weiter bestehen.
       
       Nach Ablauf des Jahres 2022 soll das neu geschaffene „Bürgergeld“ die
       „Mitwirkungspflichten und die Folgen der Verstöße neu regeln“, heißt es im
       Gesetz zum Sanktionsmoratorium. [4][Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der
       CDU/CSU-Bundestagesfraktion, Stephan Stracke, hatte erklärt,] ohne
       Sanktionsmöglichkeiten würde die Ampelkoalition ein „bedingungsloses
       Grundeinkommen schaffen“.
       
       ## Nahezu „ausgewogen“
       
       Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) warnte am Montag gegenüber der
       Nachrichtenagentur dpa vor den Folgen des Ukrainekrieges auch für
       Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Man werde die Folgen des Ukrainekrieges noch
       „viele, viele Jahre“ zu spüren bekommen, sagte er. Er werde seinen Beitrag
       dazu leisten, dass die Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt gedämpft
       werden. Er glaube, dass „äußere Stärke und Sicherheit sowie innerer und
       sozialer Frieden zwei Seiten derselben Medaille“ sind.
       
       Eine am Montag veröffentlichte [5][Studie des Instituts für Makroökonomie
       und Konjunkturforschung (IMK)] der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung
       kam zu dem Schluss, dass die beiden milliardenteuren
       Energie-Entlastungspakete der Bundesregierung sozial „weitgehend
       ausgewogen“ seien. Eine Lücke gebe es allerdings bei Rentner:innen, bei
       denen der Staat nur wenig der Mehrausgaben kompensiere. Die
       Entlastungspakete sehen unter anderem Energiekostenzuschüsse für
       Erwerbstätige, Einmalzahlungen an Hartz-IV-Empfänger:innen und
       Kindergeldzulagen sowie verbilligte Tickets für den öffentlichen Nahverkehr
       vor.
       
       12 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.arbeitsagentur.de/presse/2022-17-sanktionen-2021-weiter-auf-niedrigem-niveau
 (DIR) [2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2019/11/ls20191105_1bvl000716.html
 (DIR) [3] https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-zur-regelung-eines-sanktionsmoratoriums.html
 (DIR) [4] https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/das-prinzip-foerdern-und-fordern-muss-erhalten-bleiben
 (DIR) [5] https://www.boeckler.de/pdf/pm_imk_2022_04_11.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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