# taz.de -- Konflikte in der Ampelkoalition: Die drei Fragezeichen
       
       > Rot-Grün-Gelb gilt als zerstrittenes Zickzackbündnis. Dabei läuft es im
       > Maschinenraum der Bundesregierung ziemlich rund. Wo liegen dann die
       > Probleme?
       
 (IMG) Bild: Beantworteten Fragen zum Haushalt: von links nach rechts Otto Fricke (FDP), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Dennis Rohde (SPD)
       
       BERLIN taz | Die Berliner Bundespressekonferenz ist der Ort, wo
       Politiker:innen Rede und Antwort stehen müssen. An einem Freitag im
       Januar sitzen dort die drei Haushaltspolitiker von SPD, Grünen und FDP. Sie
       haben gerade den Etat für das Jahr 2024 zusammengezimmert. Es waren
       nervenaufreibende Verhandlungen, der Ampel fehlt akut Geld, seitdem das
       [1][Bundesverfassungsgericht den milliardenschweren Klimasondertopf Ende
       2023 als teilweise illegal verurteilte].
       
       Doch wundersamerweise wirken die drei recht frisch auf ihrem Podium: Die
       berüchtigte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, die sonst meist
       bis tief in die Nacht dauert, war am Vorabend bereits vor der Tagesschau
       vorbei. Wo tatsächlich gekürzt wird und welche Posten doch noch verschont
       werden, war pünktlich zum Feierabend geklärt.
       
       Bevor jeder aufzählt, auf welchen Beschluss die eigene Partei besonders
       stolz ist, will sich Sven-Christian Kindler von den Grünen noch schnell bei
       „Otto“ und „Dennis“ bedanken: „Trotz unterschiedlicher Blickwinkel waren
       das menschlich faire Verhandlungen“. FDP-Haushälter Otto Fricke und Dennis
       Rohde von der SPD geben das Lob zurück – danke, danke, danke!
       
       Man reibt sich die Augen. SPD, Grüne und FDP loben sich gegenseitig? Und
       ausgerechnet beim Thema Geld? Dort hört der Spaß ja bekanntlich auf, und in
       der notorisch zerstrittenen Ampelkoalition kann von Spaß schon lange keine
       Rede mehr sein. Doch ausgerechnet im Haushaltsausschuss scheinen sie noch
       Freude zu haben.
       
       ## Die Ampel ist eine Premiere
       
       Auf dem Schreibtisch im Büro von Otto Fricke steht eine kleine Ampel, die
       auf Knopfdruck blinkt und Melodien abspult. Fricke demonstriert es. Warum
       es im Haushaltsausschuss so gut läuft? Fricke nimmt den Daumen von der
       plärrenden Ampel und zählt auf: „Erstens, keiner geht allein als Gewinner
       raus, zweitens, jeder fühlt sich auch fürs große Ganze verantwortlich und
       drittens, wir respektieren die Grenzen des anderen und lesen uns nicht
       unsere Parteiprogramme vor.“
       
       Fragt man seinen grünen Kollegen Kindler nach dem Erfolgsrezept, klingt der
       ganz ähnlich. „Natürlich ringen wir oft hart miteinander. Aber wir sind
       auch kreativ in der Kompromissfindung“, sagt er. „Das sollte eigentlich
       Standard sein: schauen, was man zusammen hinkriegt, statt nicht miteinander
       zu kommunizieren und Konflikte hinauszuzögern.“
       
       Würde sich die Ampel in ihrer Gesamtheit etwas davon abschneiden – die
       Koalition stünde wohl besser da. Doch oft läuft es anders. SPD, Grüne und
       FDP einigen sich auf einen Kompromiss, und keine Stunde später ist dieser
       schon wieder Geschichte, weil er von mindestens zwei der drei Partner ganz
       unterschiedlich interpretiert wird. So geschehen beim ersten Aufschlag zum
       [2][Heizungsgesetz], oder beim Entwurf für ein Gesetz zur
       Planungsbeschleunigung, oder bei der Kürzung der
       [3][Agrardieselsubvention,] oder beim [4][Lieferkettengesetz], oder, oder,
       oder. Die Liste ließe sich fortsetzen, ein Ende ist nicht in Sicht.
       
       Klar, es gibt mildernde Umstände: Eine Krise stapelt sich auf die letzte,
       Corona, Krieg, Klima. Die Merkel-Regierungen haben hehre Ziele und eine
       kaputte Infrastruktur hinterlassen. Und die Ampel ist eine Premiere, das
       erste lagerübergreifende Dreierbündnis auf Bundesebene. Die drei Partner
       haben ein grundsätzlich unterschiedliches Staatsverständnis.
       
       ## Der Zauber des Anfangs ist verflogen
       
       SPD und Grüne sehen in ihm ein starkes Korrektiv zum Markt, die FDP will
       dagegen, dass der Staat den Kräften des Marktes möglichst nicht
       dazwischenfunkt. Gleichzeitig eint die Ampel aber eine gemeinsame
       Vorstellung davon, wie eine moderne Gesellschaft aussehen soll:
       [5][Menschen sollen sich verpartnern können, mit wem sie wollen],
       [6][selbst über ihr Geschlecht bestimmen] und nach Feierabend [7][legal
       kiffen] dürfen. Als „Fortschrittskoalition“ bezeichnete man sich bei
       Amtsantritt im Dezember 2021 euphorisch.
       
       Doch der Zauber des Anfangs ist längst verflogen. Zwar hat das
       Dreierbündnis einiges hingekriegt, [8][zwei Drittel des Koalitionsvertrags
       sind laut Bertelsmann-Stiftung abgearbeitet]. Doch die Arbeit wurde oft
       begleitet von lautem Geschrei. In einer Umfrage für RTL im September 2023
       sagten über 60 Prozent der Befragten, sie seien so genervt vom Zank in der
       Koalition, dass sie schon gar nicht mehr genau wissen wollen, worum es
       eigentlich geht. Auch die Mehrheit der Demonstrant:innen, die seit Wochen
       gegen die AfD und für die Demokratie auf die Straße gehen, eint der Wunsch
       nach einem konstruktiveren Miteinander in der Regierung. Laut einer
       [9][Studie des Rheingold-Instituts sehen 70 Prozent von ihnen in der
       Uneinigkeit der Ampel einen Grund für die Stärke der AfD].
       
       Dabei kann die Ampel im Koalitionsalltag auch anders. Die drei harmonischen
       Haushaltspolitiker sind kein Einzelfall. Das zeigt der Blick in den
       Maschinenraum der Macht, in die Büros und Besprechungsräume des Bundestags,
       wo über jeden Gesetzesentwurf aus der Regierung noch mal gründlich
       nachverhandelt wird, bevor er Gesetz wird. Die taz hat mit zahlreichen
       Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP gesprochen und siehe da: Viele
       berichten, dass die fachliche Zusammenarbeit oft erstaunlich gut läuft.
       Oder dass die Konfliktlinien zumindest anders verlaufen als gemeinhin
       unterstellt.
       
       „In meinem Bereich bin ich für dieses Jahr sehr optimistisch. Vor allem,
       weil bei uns viele Themen anstehen, die auch die FDP wirklich gut findet“,
       sagt etwa der grüne Rechtspolitiker Helge Limburg. Auf der To-Do-Liste
       steht zum Beispiel die Einführung von [10][Verantwortungsgemeinschaften,
       durch die Unverheiratete, Freunde oder WG-Partner ähnliche Rechte erlangen
       können wie Ehepartner].
       
       ## Gemeinsame Zielbestimmung
       
       Auch im Innenausschuss harmonieren zumindest FDP und Grüne weiterhin
       relativ gut, das gemeinsame Faible für Bürgerrechte schweißt zusammen. Der
       stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Lukas Köhler spricht von einem
       „kollegialen und herzlichen Miteinander“ mit seinen Kolleg:innen von den
       anderen Fraktionen, auch wenn „die inhaltlichen Debatten manchmal hart“
       seien, weil jeder seine Überzeugungen vertrete. Beim Dreikönigstreffen zu
       Jahresbeginn hatte die Regierungsmannschaft der FDP eine regelrechte
       Werbekampagne für die Ampel gestartet und der zweifelnden Basis ihre
       Errungenschaften gepredigt: Steuerentlastungen, Einsparungen im Haushalt
       und Privatisierungen. Dinge, die man so mit der Union nie durchgesetzt
       bekommen habe, klappten nun mit SPD und Grünen.
       
       Selbst bei teuren sozialpolitischen Prestigeprojekten sind geschmeidige
       Einigungen möglich. Wie 2022 beim Bürgergeld, obwohl SPD und FDP sich den
       „Sozialstaat“ total unterschiedlich vorstellen. Für die einen soll er ein
       verlässlicher Partner sein, für die anderen eher ein Notfallsanitäter.
       
       Doch siehe da: „Die Verhandlungen liefen von Anfang bis Ende sehr gut und
       konstruktiv“, berichtet Martin Rosemann, der SPD-Obmann im Sozialausschuss.
       „Wir kennen unsere Unterschiede und haben uns deshalb gleich zu Beginn
       darauf verständigt, was uns verbindet. Nämlich das Ziel, Menschen dabei zu
       unterstützen, einen produktiven Platz in der Gesellschaft zu finden.“
       
       Die gemeinsame Zielbestimmung habe viel Streit abgeräumt. Und wenn sein
       Kollege Jens Teutrine von der FDP sich zu Anträgen der Union äußere, die
       bekanntlich fordert, das Bürgergeld wieder abzuschaffen, „dann kann ich
       fast jedes Wort unterstreichen“, lobt Rosemann.
       
       Auch bei der Kindergrundsicherung, dem sozialen Vorzeigeprojekt der Grünen,
       läuft es gerade zwischen Grün und Gelb erstaunlich gut. Der entsprechende
       Gesetzesentwurf war innerhalb des Kabinetts lange umstritten. Die grüne
       Familienministerin Lisa Paus forderte zwölf Milliarden Euro für das
       Projekt, Finanzminister Lindner gab ihr nur einen Bruchteil davon. Im
       Bundestag, wo mittlerweile im nächsten Schritt über die Feinheiten des
       Gesetzes verhandelt wird, bilden sich aber erstaunliche Allianzen.
       
       ## Mangel an Professionalität
       
       „Die FDP geht in den Gesprächen durchaus konstruktiv mit der
       Kindergrundsicherung um“, sagt Wolfgang Strengmann-Kuhn, der in der
       Grünen-Fraktion für das Projekt verantwortlich ist. „Es gibt zwar
       inhaltliche Differenzen, aber wenn es nur um die FDP ginge, könnten wir
       zügig zu einer Einigung kommen.“ Möglichst unbürokratisch wolle seine
       Partei die neue Sozialleistung gestalten. Dem könnten sich die Liberalen
       grundsätzlich anschließen. Die SPD wolle hingegen stärker an bestehenden
       Strukturen festhalten.
       
       Doch auch das in der vergangenen Woche beschlossene Rentenpaket, das
       SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil gemeinsam mit FDP-Finanzminister
       Christian Lindner vorstellte, zeigt, dass sich die Ampel durchaus noch an
       einen ihrer eingangs versprochenen Grundsätze erinnert: Gönnen können. Die
       SPD konnte die Absicherung des Rentenniveaus auf 48 Prozent für sich
       verbuchen, während die FDP sich für den Einstieg in die Aktienrente feiert.
       
       Es gebe zwei Voraussetzungen dafür, dass eine Zusammenarbeit auch über
       längere Zeit gut gelingen kann, meint Rosemann: Verlässlichkeit und die
       Überzeugung aller Beteiligten, dass niemand zu kurz kommt. „Man muss in
       einer solchen Dreierkoalition den anderen auch mal was gönnen können und
       kann nicht immer alleine recht haben“. Wenn aber unterm Strich die Gräben
       oft kleiner sind als gedacht – woher kommen dann all die Probleme in der
       Ampel?
       
       Aus Sicht von SPD-Abgeordneten mangelt es den beiden kleineren Partnern
       mitunter an der nötigen Professionalität. Man merke die fehlende
       Regierungserfahrung. Unter Genoss:innen heißt es, bei den Grünen gebe es
       zum Teil die Haltung, immer im Recht zu sein, sodass getroffene
       Vereinbarungen mit Verweis auf moralische Bedenken hinterfragt werden.
       
       ## Querschüsse von Hinterbänklern
       
       Die FDP wiederum spiele Spielchen und verknüpfe Dinge, die nicht
       zusammengehören, um möglichst gute Deals in ihrem Sinne abzuschließen. Dass
       die FDP derzeit in Umfragen unter der Fünfprozenthürde liegt, macht es
       nicht besser. Sie wirkt zunehmend getrieben und erratisch. Als Parteichef
       und Finanzminister Christian Lindner [11][sogar den Sozialstaat in Frage
       stellte und den Vorschlag machte, Sozialausgaben für drei Jahre
       einzufrieren], trieb das Grüne und SPD auf die Barrikaden.
       
       Lange Zeit gefiel sich die SPD in der Rolle der erwachsenen Dritten, die im
       Hintergrund bleibt, während die beiden kleineren Koalitionspartner sich
       streiten. Doch die Unbeliebtheit der Ampel reißt auch die
       Sozialdemokrat:innen mit nach unten, momentan stehen sie nur noch
       bei 15 Prozent, deutlich hinter der Union. In der SPD-Fraktion mahnt man
       deshalb seit einiger Zeit einen Strategiewechsel an, will mehr Führung von
       Kanzler Olaf Scholz sehen. Der Ampel fehle eine Spielidee, die vom
       Führungsspieler konsequent umgesetzt werde, heißt es. „Bei uns geht’s
       momentan eher zu wie auf dem Bolzplatz“, sagt eine führende Genoss:in.
       
       Beobachten lässt sich das am Beispiel des Demokratiefördergesetzes, das
       eine stetige finanzielle Unterstützung von Organisationen vorsieht, die
       gegen Extremismus arbeiten. Als Reaktion auf die Demos gegen rechts stünde
       es der Ampel gut zu Gesicht, das Gesetz zu verabschieden.
       
       Im Bundestag steckt es allerdings schon seit über einem Jahr fest, obwohl
       die zuständigen Verhandler gut miteinander können. Der grüne
       Vize-Fraktionschef Konstantin von Notz und sein FPD-Kollege Konstantin
       Kuhle waren schon lange vor Ampelzeiten Teil des grün-gelben
       Gesprächskreises „Lebensstern“, benannt nach einer Bar in Berlin-Mitte, wo
       die Treffen stattfanden.
       
       Das größte Problem aber bleiben kommunikative Querschüsse, wie in diesem
       Fall aus der FDP – mal von der Parteispitze, mal von Hinterbänklern, die
       mit den Verhandlungen an sich gar nichts zu tun haben. Mitte Februar war es
       der für seine Krawall-Rhetorik bekannte Abgeordnete Max Mordhorst, der
       ankündigte, das Gesetz werde in dieser Form nicht kommen. Zur „Förderung
       unter anderem von linken NGOs“ habe man kein Geld übrig. Eine Äußerung mit
       Rückendeckung aus der Parteispitze? Öffentlich zurückgepfiffen wurde
       Mordhorst jedenfalls nicht.
       
       ## Es geht nicht nur um Rhetorik
       
       Bei den Grünen hat man sich vorgenommen, solche Konflikte nicht öffentlich
       eskalieren zu lassen. Also ignorierten führende Grüne Mordhorst und ließen
       nur eine einfache Abgeordnete reagieren. Als die Liberalen im März die
       EU-Abstimmung zu den Lieferketten platzen ließen, war die Geduld aber
       aufgebraucht. Die Außenministerin, die Fraktionschefin und deren
       Stellvertreterin reagierten, auf breiter Front machten die Grünen ihrem
       Ärger Luft: Das Vertrauen der EU-Partner sei in Gefahr.
       
       Doch es geht nicht nur um Rhetorik. Immer wieder scheitert die Ampel daran,
       Einigungen zu treffen oder sich an beschlossene Kompromisse zu halten. Die
       Schuldzuweisungen gehen dabei munter hin und her – auch, weil drei Parteien
       mit unterschiedlichen Funktionsweisen aufeinandertreffen.
       
       Die Grünen funktionieren zwar längst hierarchischer als in ihren
       Anfangszeiten, die unteren Ebenen haben aber weiterhin viel zu sagen. Wer
       als Abgeordneter die Zuständigkeit für einen Gesetzesentwurf erhält, hat
       relativ freie Hand. Heißt: Was er oder sie verhandelt, ist für die Fraktion
       bindend. Sich selbst halten die Grünen daher für unglaublich zuverlässig –
       im Gegensatz zur FDP. Die Liberalen werden von Parteichef Lindner viel
       straffer geführt, manche Ampelpartner sprechen sogar von „sektenähnlichen
       Zuständen“ bei den Liberalen.
       
       Die Berichterstatter:innen der Fraktion hätten entweder kein
       Verhandlungsmandat oder müssten sich hinterher die Zustimmung von oben
       einholen. Dabei scheitern sie immer mal wieder. Im Einzelfall kann das aus
       Sicht der Koalitionspartner zwar hilfreich sein, zum Beispiel, wenn man es
       auf der Arbeitsebene mit außerordentlichen FDP-Hardlinern zu tun hat, die
       von oben ein wenig eingehegt werden.
       
       ## Noch ein bisschen Groko-Blues
       
       Oft läuft es aber umgekehrt, und Kompromisse werden von der Spitze
       einkassiert. „Mit unseren direkten Gesprächspartnern in der FDP könnten wir
       durchaus zusammenkommen. Aber die führen offenkundig auch nur aus, was von
       oben kommt“, sagt ein Grüner zu den Verhandlungen über das
       Demokratiefördergesetz.
       
       In anderen Fällen werfen SPD und FDP den Grünen das Gegenteil vor: Dort
       fehlt dem Spitzenpersonal häufig die Vertretungsmacht. Immer mal wieder
       passiere es, dass die Fraktion Absprachen, die Robert Habeck als
       Vizekanzler mit Scholz und Lindner getroffen hat, noch nachverhandelt.
       Dieses Machtvakuum nervt SPD und FDP.
       
       Da sei es in der Großen Koalition unter Merkel verlässlicher zugegangen,
       hört man von langjährigen SPD-Abgeordneten. Also lieber zurück zu
       Schwarz-Rot? Nein, nein bemühen sich Abgeordnete abzuwiegeln, die Union
       habe am Ende nur noch blockiert, da kriege man mit FDP und Grünen deutlich
       mehr hin. Ein bisschen Groko-Blues bleibt dennoch.
       
       Im Haushaltsausschuss kennt man solche Querelen kaum. „Wir haben alle ein
       unglaublich starkes Verhandlungsmandat“, berichtet SPD-Haushälter Dennis
       Rohde. Er stimmt sich während der Verhandlungen zwar regelmäßig mit der
       Fraktionsspitze ab, genießt aber ansonsten volle Rückendeckung. Ähnlich
       viel Freiheit haben auch Fricke und Kindler. Und: Alle drei Haushälter
       behandeln strittige Dinge so lange vertraulich, bis sie sich einig sind.
       Auch gegenüber ihren Fraktionen.
       
       ## Haushaltsversammlungen schweißen zusammen
       
       Das kann auch daran liegen, dass die drei seit Jahren im Haushaltsausschuss
       arbeiten. Als Koalitionspartner sehen sie sich in den zwei Wochen vor
       entscheidenden Bereinigungssitzungen täglich bis zu sieben Stunden,
       inklusive der Wochenenden. Das schweißt zusammen. Sie wissen: Kriegt das
       Parlament keinen gemeinsamen Haushalt hin, übernimmt der Finanzminister.
       „Und wir sind alle drei selbstbewusste Parlamentarier“, sagt Rohde. „Wir
       wollen zusammen ein Ergebnis erzielen.“
       
       Trotzdem werden die anstehenden Haushaltsverhandlungen die Ampel auf die
       Probe stellen. Bereits heute fehlen zweistellige Milliardenbeträge bei
       Haushalt und Klimafonds, und die stagnierende Wirtschaft dämpft
       Erwartungen. „Da kommt noch einiges auf uns zu“, meint Fricke. Doch das
       Entscheidende in einer guten Beziehung sei nicht, dass man sich nicht
       streite, „sondern am Ende wieder vertragen kann.“ Dass das unter den
       Haushältern geht, bezweifelt er nicht.
       
       Kann sich auch die restliche Ampel wieder vertragen? In der SPD ist man
       skeptisch, will sozialdemokratische Vorhaben künftig stärker fokussieren.
       Wie eine Reform der Schuldenbremse, welche die FDP vehement ablehnt. Also
       durchhalten bis 2025 – aber was dann? Eine führende Sozialdemokratin
       seufzt: „Jede andere Konstellation wäre ja noch bekloppter.“ In der SPD ist
       man müde und bündnistreu zugleich. Denn Olaf Scholz hat derzeit nur eine
       Option, um Kanzler zu bleiben: Die Ampel.
       
       9 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Karlsruher-Urteil-zu-Klimafonds/!5969800
 (DIR) [2] /Bundesverfassungsgericht-greift-ein/!5945688
 (DIR) [3] /Rede-von-Lindner-bei-Bauernprotesten/!5983093
 (DIR) [4] /EU-Lieferkettengesetz/!5989125
 (DIR) [5] /Plan-fuer-Verantwortungsgemeinschaften/!5987239
 (DIR) [6] /Selbstbestimmungsgesetz-im-Bundestag/!5973044
 (DIR) [7] /Vor-Abstimmung-ueber-Cannabis/!5993985
 (DIR) [8] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2023/september/halbzeitbilanz-der-ampel-regierung-koalition-setzt-trotz-streits-viele-versprechen-um
 (DIR) [9] https://www.rheingold-marktforschung.de/rheingold-studien/psychologische-wirkungen-der-demonstrationen-gegen-rechtsextremismus/
 (DIR) [10] /Lebensmodell-Verantwortungsgemeinschaft/!5950424
 (DIR) [11] https://www.tagesschau.de/inland/lindner-moratorium-100.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
 (DIR) Tobias Schulze
 (DIR) Cem-Odos Güler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ampel-Koalition
 (DIR) Bundesregierung
 (DIR) Fortschritt
 (DIR) Das Milliardenloch
 (DIR) Wärmepumpe
 (DIR) GNS
 (DIR) Haushaltsstreit
 (DIR) Deutsche Politik
 (DIR) Das Milliardenloch
 (DIR) Kindergrundsicherung
 (DIR) Krise der Demokratie
 (DIR) Verkehrswende
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Wachstum
 (DIR) Podcast „Bundestalk“
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Lindners Blockade des Rentenpakets: Regieren mit dysfunktionaler Partei
       
       Die FDP agiert so, als befände sie sich auf einem Kreuzzug und nicht in
       einer parlamentarischen Demokratie.
       
 (DIR) Grünen-Politiker verlässt Bundestag: Kindler will mehr Zeit für Kinder
       
       Sven-Christian Kindler ist einer der wichtigsten Abgeordneten des linken
       Flügels der Grünen. Nach der Wahl will er seine Frau bei Care-Arbeit
       entlasten.
       
 (DIR) Fehlende Milliarden des Bundes: Täglich grüßt das Haushaltsloch
       
       Der Streit über die Finanzen für 2025 ist im vollen Gange. Um Geld fürs
       Militär zu sichern, will Bundesfinanzminister Lindner beim Sozialen sparen.
       
 (DIR) Kindergrundsicherung am Ende: Paus’ Mitschuld
       
       Mit der jüngsten Attacke könnte Lindner die Kindergrundsicherung endgültig
       begraben haben. Daran ist auch Lisa Paus' unbeholfenes Agieren schuld.
       
 (DIR) Demokratiefördergesetz unter Beschuss: Kampf gegen Rechtsextremismus
       
       Die FDP blockiert das Demokratiefördergesetz. Die grüne Familienministerin
       Lisa Paus macht Druck – plant aber bereits zweigleisig.
       
 (DIR) Bundesverkehrswegeplan in der Kritik: Keine neuen Straßen
       
       Verbände fordern eine Kehrtwende in der deutschen Verkehrsplanung. Ihre
       Kritik: Aktuelle Pläne widersprächen dem Klimaschutz.
       
 (DIR) Scholz Absage zum Taurus: Munition für Ampel-Streit
       
       Kanzler Scholz bringt mit seiner Begründung zum Nein zum Taurus die
       Koalitionspartner wieder gegen sich auf.
       
 (DIR) Union gegen Wachstumschancengesetz: Sie wollen die Ampel scheitern sehen
       
       Die Union hat dem Wachstumschancengesetz nicht zugestimmt, auch um den
       Preis einer stagnierenden Wirtschaft. Diese Totalverweigerung hat
       Tradition.
       
 (DIR) Podcast „Bundestalk“: Dauerzoff in der Ampel
       
       Schaffen es SPD, Grüne und FDP, die Legislaturperiode gemeinsam zu Ende zu
       regieren – und wäre das eigentlich gut?