# taz.de -- Regisseur des „Planet der Affen“ Sequels: „Äffinnen so zeigen, wie sie sind“
       
       > US-Regisseur Wes Ball über Science-Fiction als historisches Epos,
       > Verständigung zwischen Tier und Mensch und Motion-Capturing von
       > Menschenaffen.
       
 (IMG) Bild: Fast wie echt: Animierte Schimpansen in „Planet der Affen: New Kingdom“
       
       Die Romandystopie „La Planète des singes“ von Pierre Boulle (1963)
       porträtiert einen Planeten, der von intelligenten, sprechenden Großaffen
       beherrscht wird. Die dort lebenden „wilden“ Menschen bleiben dagegen stumm.
       Die menschlichen Erzähler entdecken, dass es einst umgekehrt war und die
       Affen sich gegen ihre Unterdrücker zur Wehr setzten. Nach der
       Erstverfilmung 1968 entstand ein Planet-of-the-Apes- (POTA-)Franchise: Vier
       Spielfilme in den 70ern, Tim Burton verfilmte den Stoff 2001, 2011 gab es
       einen Reboot. Das neue Sequel inszenierte der Regisseur der
       Science-Fiction-Trilogie „Maze Runner“, Wes Ball. Es spielt 300 Jahre nach
       dem letzten Teil. 
       
       taz: Wes Ball, in Ihrem Film gibt es viele Interaktionen und Hierarchien
       zwischen den Spezies: Affen reiten auf Pferden, dressieren Greifvögel, die
       dann mitmischen, verschiedene Primatenarten kämpfen gegeneinander. Sind Sie
       eigentlich Tierfilmer? 
       
       Wes Ball: Anscheinend … Nein, die Affen auf den Pferden gehörten immer
       schon zu den ikonischen Bildern der Reihe. Und mit der Falknerei wollten
       wir zeigen, dass Affen einen ähnlichen Zivilisationsprozess durchschritten
       wie Menschen. Das Domestizieren von Hunden ist Teil der menschlichen
       Entwicklung. Aber Hunde passen nicht zu Affen, auch wegen der Größe, darum
       haben wir ihnen die Falknerei gegeben, diese fast symbiotische Beziehung zu
       Greifvögeln, die sie als Jagdhilfe, sogar als Waffen benutzen. Außerdem ist
       es ein cooles Bild.
       
       Alles wirkt dadurch nicht besonders wie Science-Fiction, eher ist es ein
       retrofuturistischer Naturfilm. 
       
       [1][Der Crew habe ich gesagt, wir drehen ein historisches Epos]. Es ist ein
       bisschen so, als ob die Affen verschiedene Erdzeitalter durchleben,
       Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit. Sie erfinden dabei immer mehr.
       
       Obwohl der „Macguffin“ eine Art Computerchip ist, hinter dem der
       menschliche Charakter Mae her ist, spielen Bücher eine große Rolle – sie
       werden eine „altertümliche Art, Wissen aufzubewahren“ genannt, jemand lebt
       in einer Bibliothek, später entdecken die Affen Kinderbücher, in denen
       Tiere im Zoo gehalten werden. Wieso? 
       
       „Wissen ist Macht“ gehört zur Grundidee des Films. Der Primatenprotagonist
       Noah weiß mehr als die menschliche Protagonistin. Und die Figuren im Film
       machen keine Waffen, sondern erweitern ihr Wissen. Die Bücher sind Symbol
       für die Fähigkeit Noahs, sich Wissen anzueignen oder wiederzuentdecken – im
       Laufe der Geschichte findet er sogar intuitiv heraus, wie Elektrizität
       funktioniert, weil er einen kaputten Elektroschocker repariert, der von den
       Gegenspielern benutzt wird. Ich mag die Geschichte von Kopernikus, der
       entdeckte, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Erst 200 Jahre später
       wurde diese Theorie anerkannt. So lange war sein Wissen verloren – daran
       habe ich bei der Geschichte mit den wiederentdeckten Büchern gedacht. Das
       kann man weitererzählen: Welches verlorene Wissen werden die Affen
       wiederentdecken? Werden sie die gleichen Fehler machen wie wir?
       
       Die Geschichte selbst ist Coming of Age kombiniert mit Abenteuer, und viele
       archetypische Figuren – Noah muss sich gegenüber seinem Vater behaupten und
       geht mit Gefährten auf Heldenreise … 
       
       Ja, die Zutaten sind bekannt: Noah muss Aufgaben erfüllen wie das Stehlen
       eines Adler-Eis, er muss sich entwickeln. Ihm wird dabei vom älteren,
       weisen „Guide“-Charakter Raka, einem Orang-Utan, geholfen, Antagonist ist
       der größenwahnsinnige Bonobo „Proximus“. Ich glaube, dass es einem
       Fantasy-Film mit sprechenden Affen nur helfen kann, solche archetypischen
       Charaktere zu haben. Sie bringen uns auf den Boden der Tatsachen zurück.
       
       Der letzte POTA-Film war außergewöhnlich, weil Affen sich darin fast
       ausschließlich in Gebärdensprache unterhielten. Wieso sprechen sie jetzt
       wieder? 
       
       Die Entscheidung kam aus dem Narrativ – auf der „POTA“-[2][Zeitlinie sind
       wir weit vor dem 1968] entstandenen Originalfilm, in dem die Affen fließend
       sprechen. Also müssen sie langsam in Richtung Sprache gehen, auch wenn sie
       als Teil ihrer Kommunikation immer noch gebärden. Natürlich wissen wir,
       dass Affen in Wirklichkeit nicht sprechen können, weil ihre Stimmbänder
       nicht dazu geeignet sind. Darum haben wir versucht, ihren Sprachrhythmus
       gebrochen klingen zu lassen. Sogar Proximus, der viele Worte nutzt, redet
       nicht flüssig.
       
       Menschen und Primaten können tatsächlich über Gebärdensprache kommunizieren
       – haben Sie sich da bedient? 
       
       Unsere Gebärden basieren auf der offiziellen American Sign Language ASL,
       einige werden auch von der „Great Apes Language“ benutzt, bei der Menschen
       mit Affen kommunizieren – es gab die Gorilladame Koko, die mit mehr als
       1.000 Zeichen in „Gorilla Sign Language“ kommunizierte. Wir haben auch
       Gebärden erfunden. Am Set hat uns ein Experte für Zeichensprache beraten.
       
       Die menschlichen Charaktere im Film sind ambivalent– die junge Mae hat eine
       eigene Agenda. Der von William H. Macy dargestellte, beim „bösen“
       Affenstamm lebende Trevathan ist ebenfalls zwielichtig– weil die Affen die
       Helden sein sollten? 
       
       Ja, in den älteren Filmen ging es oft um ein Tier, das die menschliche Welt
       betritt, wir wollten aus deren Perspektive der Affen erzählen. In dieser
       Affenwelt, in der Menschen kaum vorkommen, erscheint dann mit Mae dieser
       zwielichtige Charakter, der alles durcheinanderbringt. Irgendwann müssen
       wir bei der Prämisse des Films von 1968 ankommen. Da haben Affen
       anscheinend beschlossen, alle Zeichen menschlichen Lebens auszulöschen.
       Wieso, das wollen wir erzählen.
       
       Im Film wird die Frage gestellt, ob Affen und Menschen überhaupt
       zusammenleben können. Ist das eine Metapher für die Zerstörung der Natur? 
       
       [3][Ja, für die Zerstörung der Natur und von uns selbst.] Darüber hinaus
       steht es auch für zwischenmenschliche Konflikte. Gute Science-Fiction muss
       eine Allegorie auf unsere Gesellschaft sein. Wir wollten dabei nicht zu
       deutlich predigen. Aber man kann vieles hineininterpretieren.
       
       Schimpansen leben in matriarchalen Strukturen – wieso tun sie das nicht in
       Ihrem Film? 
       
       Nun, wir haben zum Beispiel mit Noahs Mutter eine Figur, die nach dem Tod
       seines Vaters am Ende den Adler auf dem Arm hat, vielleicht Dorfhäuptling
       wird. Aber es stimmt, einige Rollen sind vielleicht noch zu gendertypisch
       ausgelegt. Immerhin haben wir weitaus mehr weibliche Affen als in den
       letzten drei Filmen.
       
       Im Originalfilm mit Charlton Heston gab es die führende Rolle der Dr. Zira,
       gespielt von Kim Hunter … 
       
       Stimmt. Es war jedenfalls eine Herausforderung, Äffinnen so darzustellen,
       dass sie auch als solche erkannt werden – Menschen sehen den
       Sexualdismorphismus, also den Unterschied im Erscheinungsbild männlicher
       und weiblicher Tiere, nicht immer. Und wir wollten ihnen nicht einfach
       Kleider anziehen, ihre Wimpern verlängern oder was Animationsfilme machen.
       Wir haben darum versucht, es über andere Mimik zu verdeutlichen.
       
       Die Affen werden durch Motion-Captering animiert, ihre Stimmen sind von
       Schauspieler:innen – wie wichtig war das Stimmencasting? 
       
       Sehr wichtig. Zudem mussten die Schauspieler:innen glaubhaft Affen
       darstellen, so komisch das klingt. Sie brauchten eine Stimme, die zu einem
       Tier passt. Sie mussten körperlich in der Lage sein, sich quasi animalisch
       zu bewegen, und Lust haben, sich das komplizierte Kostüm anzuziehen,
       ständig eine Kamera mit Motion-Capture-Punkten im Gesicht zu haben und
       dabei glaubwürdig zu wirken. Faszinierend, dem Hauptdarsteller Owen Teage
       dabei zuzuschauen, wie er sich in den Affen transformiert. Dahinter steckt
       genauso gutes Schauspiel wie bei Filmen ohne Kostüm.
       
       7 May 2024
       
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