# taz.de -- Luftfahrt in der Klimakrise: Der Traum vom grünen Fliegen
       
       > Kraftstoffe, die nicht auf Erdöl basieren, gelten als Hoffnungsschimmer
       > der Luftfahrt. Leider lösen sie nicht alle Ökoprobleme des Fliegens.
       
 (IMG) Bild: Soll demnächst mit 100 Prozent Agrokerosin über den Atlantik fliegen, Boeing 787 Dreamliner
       
       BERLIN taz | Es klingt toll: trotz [1][Klimakrise] fliegen, in den Urlaub,
       zu internationalen Konferenzen, zu weit entfernten Familienmitgliedern –
       ohne die Atmosphäre zu belasten. Das wollen Airlines mit nachhaltigen
       Kraftstoffen möglich machen, die nicht auf fossilen Energieträgern
       basieren. Kann das klappen?
       
       Hinter der Idee stecken unterschiedliche Technologien. Zum Beispiel
       Agrokerosin. Die Branche spricht lieber von SAF, kurz für das englische
       [2][Sustainable Aviation Fuel], oder von Biokerosin. Das heißt: Als Basis
       für die Kraftstoffe dienen Pflanzen in verschiedensten Formen, zum Beispiel
       Stroh, Klärschlamm, altes Speiseöl, aber auch eigens angepflanzte
       Energiepflanzen wie Jatropha und Leindotter oder Algen.
       
       Flugzeuge, die mit Agrokerosin fliegen, stoßen trotzdem das klimaschädliche
       Treibhausgas Kohlendioxid aus – aber eben nur so viel, wie die Pflanzen
       der Atmosphäre zu Lebzeiten entzogen haben. Das ist zumindest die Theorie,
       die Praxis kann ganz anders aussehen. Kohlendioxid wirkt hoch in der Luft,
       wo Flugzeuge es ausstoßen, stärker als am Boden, wo die Pflanzen es
       aufgesogen haben. Und wenn zum Beispiel für den Anbau von Energiepflanzen
       wertvoller Wald abgeholzt wird, ist der Klimaschaden enorm.
       
       Bei der Produktion von Agrokerosin wird zudem Energie genutzt, die bisher
       nicht nur auf erneuerbaren Quellen beruht. Es gibt also versteckte
       Emissionen. Je nachdem, aus welchem pflanzlichen Material das Agrokerosin
       besteht und wie es hergestellt wird, kann es sogar mehr schaden als nützen,
       warnen Umweltschützer:innen immer wieder. Die beste Bilanz haben
       Kraftstoffe aus Resten und Müll.
       
       Noch dürfen Flugzeuge im kommerziellen Einsatz gar nicht ausschließlich mit
       Agrokerosin laufen. Die internationale Standardisierungsorganisation ASTM
       lässt dafür höchstens eine hälftige Beimischung zum fossilen Kerosin zu.
       Einen ersten transatlantischen Testflug mit 100 Prozent SAF hat allerdings
       die Fluggesellschaft Virgin Atlantic angekündigt. Im November soll eine
       Boeing 787 von London nach New York fliegen.
       
       Technisch sieht es also ganz gut aus mit dem pflanzenbasierten Flugbenzin.
       Neben der Tatsache, dass es eben doch keine klimatische Nullbilanz
       ermöglicht, gibt es aber noch ein Problem: den Preis. Die SAFs seien
       momentan fünfmal so teurer wie fossiles Kerosin, hat etwa die Lufthansa
       Ende Juli gewarnt. Die These, dass die nachhaltigen Kraftstoffe mit der
       Zeit billig würden, nennt die Fluggesellschaft „dünn“.
       
       Sie argumentiert: Biomasse sei eben nur begrenzt verfügbar. Pflanzlichen
       Müll und Ackerflächen für neue Energiepflanzen gibt es eben nicht
       unendlich, außerdem besteht gerade bei Letzteren immer eine Konkurrenz zu
       Pflanzen für die Ernährung. Die Lufthansa stützt sich auf eine Studie der
       Unternehmensberatung Bain. „Selbst nach 2050 wird SAF, so die Prognose,
       noch etwa zwei bis viermal teurer sein als herkömmliches Kerosin.“ Deshalb
       sind europäische Airlines auch unglücklich darüber, dass die
       [3][Europäische Union] sie künftig zur Beimischung von nachhaltigen
       Kraftstoffen zwingen will. Es geht allerdings erst mal kosmetisch los: 2025
       sollen Flugzeug-Kraftstoffe 2 Prozent „grüne“ Kraftstoffe enthalten.
       
       Neben Agrokerosin gibt es noch weitere Ansätze für nachhaltiges Flugbenzin.
       Zum Beispiel synthetische Kraftstoffe, die aus Wasserstoff und Kohlendioxid
       hergestellt werden können – unter Einsatz von sehr viel (hoffentlich
       Öko-)Strom. Die sind allerdings noch teurer, kosten laut Lufthansa bis zu
       zehnmal so viel wie fossiles Kerosin. Wie sich der Preis entwickeln wird,
       ist laut der Airline zudem „völlig ungewiss“. Diese synthetischen
       Kraftstoffe gibt es bisher nämlich nur in Labormengen.
       
       Der [4][Traum vom grünen Fliegen] wird also vorerst genau das bleiben: ein
       Traum. Das hängt auch damit zusammen, dass Fliegen gar nicht nur wegen des
       Kohlendioxids aus dem fossilen Kerosin klimaschädlich ist. Noch stärker
       fällt die Wirkung von Kondensstreifen und Stickoxiden ins Gewicht. Diese
       Probleme lösen auch die alternativen Kraftstoffe nicht. Zum Klimaschutz im
       Luftverkehr gehört also zwangsläufig: weniger fliegen.
       
       29 Jul 2023
       
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