# taz.de -- Sanktionen in der Grundsicherung: Heil will Bürgergeld-Strafen
       
       > Hubertus Heil (SPD) möchte Arbeitsverweigerern das Bürgergeld kürzen. Was
       > erlaubt ist – und was nicht.
       
 (IMG) Bild: Möchte das Bürgergeld kürzen: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
       
       Als Reaktion auf Äußerungen von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil schrieb
       die sächsische Landtagsabgeordnete Jule Nagel (Linke) jüngst auf X:
       „[1][SPD im sozialen Unterbietungswettbewerb: Komplett-Sanktionen beim
       #Bürgergeld für sog. „Totalverweigerer“ Das dürfte nicht nur
       verfassungswidrig sein, sondern wirft auch ein komplett falsches Bild auf
       Sozialleistungsempfänger*innen & deren Lebensrealitäten.]“
       
       Widerspricht Heils Vorschlag wirklich den Karlsruher Vorgaben?
       
       Der Arbeitsminister will Bürgergeld-Beziehenden die Leistung vollständig
       streichen, „wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte sich willentlich
       weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen“. Das Bürgergeld soll dann laut
       Gesetzentwurf maximal zwei Monate entfallen. Einen entsprechenden
       Gesetzentwurf hat der Minister am Donnerstag in die Regierungsabstimmung
       gegeben. „Es kann nicht sein, dass eine kleine Minderheit das ganze System
       in Verruf bringt“, sagte Heil zur Begründung.
       
       2019 befasste sich das Bundesverfassungsgericht eingehend mit Sanktionen
       beim Bürgergeld-Vorgänger, dem Arbeitslosengeld 2 (auch Hartz IV genannt).
       Das Gericht kam zum Schluss, dass nach Pflichtverletzungen allenfalls eine
       30-prozentige Kürzung der existenzsichernden Leistung möglich sind. Es gebe
       keine Erkenntnisse, dass eine 60-Prozent-Kürzung oder gar eine völlige
       Streichung zu sinnvollen Ergebnissen führe. Im Gegenteil: Häufig verelenden
       Betroffene, verlieren ihre Wohnung, brechen den Kontakt zu den Behörden ab
       oder werden sogar kriminell.
       
       ## Keine Kürzungen bei Härtefällen
       
       Ist Heils Plan also verfassungswidrig? Nein, denn bei einer Art der
       Pflichtverletzung ist laut Bundesverfassungsgericht eine Totalstreichung
       des Regelsatzes als Sanktion möglich: Wenn die „Aufnahme einer angebotenen
       zumutbaren Arbeit“ abgelehnt wird. Denn damit habe es der
       Leistungsberechtigte in der Hand, seine menschenwürdige Existenz selbst zu
       sichern.
       
       Nicht zulässig wäre eine Totalstreichung als Sanktion, wenn lediglich
       Meldefristen versäumt oder Fortbildungsangebote abgelehnt werden.
       Tatsächlich soll hier auch weiterhin eine maximal 30-prozentige Streichung
       des Bürgergeldes möglich sein. Wenn Minister Heil behauptet, sein Plan
       richte sich gegen „Totalverweigerer“, die „alle Angebote“ ablehnen, ist das
       falsch. Die Verschärfung bezieht sich ausschließlich auf die Verweigerung
       von Arbeitsangeboten und ist genau deshalb auch mit dem Grundgesetz
       vereinbar.
       
       Auch sonst wird Heils Plan den Karlsruher Vorgaben gerecht. In Härtefällen
       (etwa bei psychischen Beeinträchtigungen) darf das Bürgergeld nicht
       gestrichen werden. Auch bei einer Totalstreichung des Regelsatzes muss der
       Staat für die Miete weiter aufkommen, damit nicht die Wohnung verloren
       geht. Wenn die angebotene Arbeitsstelle doch noch angenommen wird, muss
       sofort wieder Bürgergeld bezahlt werden (zum Beispiel, weil die Arbeit erst
       Wochen später beginnt).
       
       29 Dec 2023
       
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 (DIR) [1] https://x.com/luna_le/status/1740404235102257170?s=46&t=EI-W_wWweIRrewhAhWDwJQ
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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