# taz.de -- Umgang mit AfD und Rechtsextremismus: Gegen antidemokratische Normalität
       
       > Mobile Beratungsteams warnen vor Normalisierung von AfD und extremer
       > Rechter. Antifaschistische Akteure müssten ernst genommen werden.
       
 (IMG) Bild: Waffen und Nazi-Symbole: Razzia nach Hammerskin-Verbot
       
       BERLIN taz | Wer versucht, den Rechten ihre Themen streitig zu machen,
       stärkt am Ende nur die Rechten. Diese Faustregel der Politik schien in den
       letzten Monaten vergessen: Demokratische Parteien debattierten über
       Migration als Gefahrenquelle, das Bundeskabinett verschärfte
       Abschieberegeln und selbst grüne SpitzenpolitikerInnen meinten,
       Antisemitismus ließe sich einfach ausweisen.
       
       Es ist dieser [1][Umgang mit Themenfeldern der AfD] und eine damit
       einhergehende Normalisierung der Partei und ihrer rechten Positionen, vor
       der die Fachleute des bundesweiten Dachverbands der rund 50 Mobilen
       Beratungsteams gegen Rechtsextremismus (MBT) am Montag in Berlin warnten.
       
       Freundliche Gespräche auf den Fluren der Parlamente, ein gemeinsames Bier
       in der Kneipe – AfD-PolitikerInnen würden auch auf kommunale Ebene immer
       seltener isoliert, erklärte Dominik Schumacher vom MBT Düsseldorf. Er und
       seine KollegInnen blicken mit Sorge auf das anstehende „Superwahljahr“ mit
       EU-Parlamentswahl, Kommunalwahlen in acht Bundesländern und Landtagswahlen
       in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
       
       In den vergangenen Monaten sei aus den Coronaprotesten ein „stabiles
       antidemokratisches Protestmilieu entstanden“. Jede Krise werde
       verschwörungsideologisch aufgeladen. Extreme Rechte hätten vermehrt
       Immobilien gekauft und seien in Sozialräume vorgedrungen, etwa völkische
       Siedler oder ReichsbürgerInnen des „Königreichs Deutschland“.
       
       ## AfD-Verbot könnte helfen
       
       [2][Die jüngsten Verbote von „Artgemeinschaft“] und [3][„Hammerskins“
       reichten nicht.] Man begegne extrem rechten Aktivitäten meistens im legalen
       Bereich und im Alltag: in Betrieben, Kitas, Sportvereinen. „In manchen
       Regionen gehört Rechtsextremismus zur Normalität“, sagte Schumacher und
       fügte hinzu: „Für Rechtsextremismus galt und gilt: Wenn er normaler Teil
       der politischen Landschaft wird, dann ist seine Anschlussfähigkeit
       hergestellt.“ Daher sei Protest so wichtig. [4][Auch ein AfD-Verbot könne
       helfen.]
       
       „Erfolg macht erfolgreich“, warnte auch Beate Küpper,
       Rechtsextremismusforscherin der Hochschule Niederrhein und Mitautorin der
       „Mitte“-Studie. Auch sie sieht in einem AfD-Verbot eine geeignete
       Gegenstrategie. Die Gefahr einer weiteren Radikalisierung bestehe dabei
       nicht, die sei bereits vollzogen. Und: „Die Opfererzählung gehört zum Kern
       des Rechtspopulismus. Sie werden immer behaupten, nicht gehört zu werden.“
       
       Küpper spricht von einem „drastischen Anstieg demokratiegefährdender
       Einstellungen“: 8,3 Prozent der Bevölkerung teilten ein geschlossen
       rechtsextremes Weltbild, weitere 20 Prozent bewegten sich in einem
       Graubereich. Rechtsextreme seien zunehmend selbstbewusster und erreichten
       die Mitte der Gesellschaft. Die Forscherin forderte für
       zivilgesellschaftliche Akteure mehr Rückendeckung aus der Politik. Sie rät
       dazu, auf kommunaler Ebene vorzubeugen, Bündnisse zu schließen und mit
       wichtigen Akteuren ein „Krisenmanagement“ gegen rechts aufzubauen.
       
       Eine, die diese Krise täglich managt und sich vor Ort gegen extreme Rechte
       stellt, ist Dorothea Schneider. Seit 2013 ist sie Vorsitzende des Vereins
       „Augen auf – Zivilcourage zeigen“ in Zittau im Südosten Sachsens. Um ihr
       Zuhause habe sie einen großen Zaun und Kameras, erzählt Schneider.
       „Teilweise kommt es mir in der aktuellen Situation schlimmer vor als
       während der Baseballschlägerjahre in den 1990ern.“
       
       ## Zivilgesellschaftliche Akteure ernst nehmen
       
       Schneider berichtet davon, wie der demokratischen [5][Zivilgesellschaft der
       Nachwuchs] fehle. „Die Leute sind ermüdet.“ Sie appellierte,
       zivilgesellschaftliche Akteure und ihre Warnungen vor Ort ernst zu nehmen.
       „Es muss aufhören, dass sie immer wieder ihre Arbeit rechtfertigen und ihr
       Handeln erklären müssen.“ Sie meint das auch in Bezug auf die sogenannte
       [6][Extremismusklausel in Förderbedingungen,] die Misstrauen schüre.
       Teilweise werde sogar gefordert, eine „politische Neutralität“ einzuhalten.
       
       Schneider und die ExpertInnen in den Mobilen Beratungsteams warten auf das
       von der Ampelkoalition versprochene Demokratiefördergesetz. Wenn
       Beratungsstellen immer nur für ein Jahr mit einer Finanzierung planen
       könnten, störe das auch das langfristige Vertrauensverhältnis in der
       Beratung. Die Finanzierung müsse verstetigt werden.
       
       4 Dec 2023
       
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       ## AUTOREN
       
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